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Werkstattgespräche: Irreführung und Aufklärungspflicht im Wettbewerbsrecht

CIP Werkstattgespräche

Referent: Rechtsanwalt Andreas Auler 
Siebeke Lange Wilbert, Düsseldorf

von Dipl.-Jur. Stefan Heutz, F.R.A.S., wiss. HK.

Thema der letzten Werkstattgespräche des Wintersemesters 2004/2005 auf Schloss Mickeln waren Informationspflichten in der Werbung. Dazu konnte mit Herrn Rechtsanwalt Andreas Auler ein Redner gewonnen werden, der das Thema nicht nur rechtstheoretisch, sondern zugleich mit Beispielen aus seiner praktischen Erfahrung darzustellen wusste.

A. Vortrag
I. Allgemeine Gedanken

Herr Auler begann seinen Vortrag mit einigen grundlegenden Gedanken zur Thematik der Informations- und Aufklärungspflichten in der Werbung. Zunächst wies er auf die gesetzliche Regelung in § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG n. F. hin, der zufolge Angaben über den Preis der beworbenen Ware oder Dienstleistung bei der Beurteilung der Frage, ob die Werbung irreführend ist, zu berücksichtigen sind. Bei dieser Regelung im reformierten UWG handele es sich den Gesetzesmaterialien zufolge nicht um die Verankerung einer generellen Informationspflicht des Werbenden, sondern vielmehr um die Kodifikation der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Diese besage, dass eine Aufklärungspflicht immer – aber auch nur dann – bestehe, wenn die betreffende Information nach der Verkehrsanschauung für die Kaufentscheidung des Beworbenen bedeutsam sein könne. An dieser Feststellung sei auch durch § 5 Abs. 2 Nr. 2 UGW n. F. nichts geändert worden. Es müsse daher jeweils im Einzelfall ermittelt werden, welche Informationen der potentielle Käufer erwarte.

II. Beispielfälle
Nach dieser kurzen Einleitung stellte der Referent vier Beispiele aus der Praxis dar, bei denen die Frage der Irreführung durch unterlassene Informationen entscheidungserheblich gewesen ist. Dabei handelte es sich um Fälle aus dem Bereich der Mobilfunkwerbung, die sich vor allem durch das jeweilige Werbemedium unterscheiden.

1. Zeitungswerbung
Zunächst ging Herr Auler auf die allgemein bekannte Mobilfunkwerbung in Zeitungen oder Zeitschriften ein, in denen der Verkauf von Mobiltelefonen für einen geringen Betrag beworben wird („Handy für 0,- €“). Dieses günstige Angebot gilt nur bei gleichzeitigem Abschluss eines Dienstleistungsvertrags (Mobilfunk-Telefonvertrag). Derartige Werbungen beschäftigten den BGH in den Jahren 1998/99 in den so genannten Handyurteilen. Zuvor war das preisgünstige Mobiltelefon als eine Zugabe zum Abschluss des Dienstleistungsvertrags angesehen worden. Der BGH lehnte diese Auffassung jedoch ab und begriff den Telefon-Kaufvertrag und den Dienstleistungsvertrag als gleichrangige gekoppelte Verträge. Dieses Verständnis führt dazu, dass in der Werbung für das Mobiltelefon über die durch den zwangsweise abzuschließenden Dienstleistungsvertrag entstehenden Folgekosten aufgeklärt werden muss, was in der Praxis in der gängigen „Sternchenwerbung“ gipfelt.

2. TV-Werbung
Als zweites trug der Referent den Fall eines TV-Werbespots vor, in dem günstiges Telefonieren für einen bestimmten Betrag beworben wurde. Nähere Angaben zu den Vertragskonditionen fehlten. Der BGH entschied in diesem Fall, dass ebenso wie bei der Zeitungswerbung auch im Fernsehen über die jeweiligen Konditionen informiert werden müsse. Hieran übte Herr Auler mit dem Hinweis Kritik, dass mit dem Urteil den Besonderheiten des Werbemediums keinerlei Rechnung getragen werde. In einem Fernsehspot sei es angesichts der knapp bemessenen Zeit äußerst schwierig, sämtliche erforderlichen Informationen mitzuteilen. Das Urteil sei aber noch unter einem weiteren Gesichtspunkt zweifelhaft: Um eine Irreführung festzustellen, sei nämlich zu klären, welche Informationen der Beworbene in einem TV-Spot überhaupt erwarte. Der Referent vertrat hier die Meinung, dass jedenfalls ein anderer Erwartungsmaßstab anzulegen sei als etwa an eine Zeitungsannonce. Dennoch werde insbesondere von den Instanzgerichten geradezu schematisch von der fehlenden Preisangabe auf eine Irreführung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG geschlossen.

3. Radiowerbung
Als drittes stellte Herr Auler eine Radiowerbung vor, in der ein günstiger Telefonvertrag ohne vollständige Angabe der Vertragskonditionen beworben wurde. Wiederum hatte die Rechtsprechung eine Irreführung festgestellt. Auch hieran übte Herr Auler mit demselben Argument wie bei der TV-Werbung Kritik: Den Besonderheiten des Mediums werde nicht ausreichend Rechnung getragen. Es sei weder praktikabel, in einer wenige Sekunden währenden Radiowerbung sämtliche Informationen in verständlicher Form mitzuteilen, noch werde dies vom Hörer erwartet.

4. Internetwerbung
Als letztes ging der Referent auf Werbung im Internet ein. So war ein Fall zu entscheiden, in dem ein Anbieter im Internet eine Pop-up-Werbeseite eingerichtet hatte. Beim Öffnen der Seite eines Drittanbieters öffnete sich ein Werbefenster, das einen Link auf die Seiten des Anbieters mit sämtlichen weiteren Konditionen des im Pop-up-Fenster beworbenen Angebots enthielt. Die Rechtsprechung untersagte diese Werbung, da die notwendigen Informationen im Pop-up-Fenster fehlten. Herrn Auers Kritik hieran stützte sich auf die Erfahrung, dass der durchschnittlich informierte Internetnutzer wisse, dass er durch das Anklicken des Links zu weiteren Informationen gelangen könne. Daher erwarte er auch keine Informationen in dem ersten Pop-up-Fenster, sondern auf der verlinkten Seite. Somit werde er durch die Pop-up-Werbung nicht in die Irre geführt. Es sei allerdings durchaus zu fragen, ob in dem Werbefenster ein Hinweis („Weitere Informationen durch Anklicken dieses Fensters“) untergebracht werden müsse.

III. Fazit
In der Rechtsprechung existiere eine „Tendenz zur Transparenz“, zog Herr Auler sein Fazit. Dabei werde vielfach verkannt, dass die fehlende Angabe der Folgekosten eines Werbeangebots nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG nicht per se eine Irreführung darstelle. Entscheidend hierfür sei die Erwartungshaltung des Beworbenen, was jedoch oftmals übersehen werde.

B. Diskussion
In der anschließenden lebhaften Diskussion wurden vor allem zwei Aspekte thematisiert: Zum einen ging es um die Frage, ob eine Irreführung bereits durch einen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung verwirklicht werde. Zum anderen wurde gefragt, ob hinsichtlich der Voraussetzungen einer Irreführung zwischen den verschiedenen Werbemedien differenziert werden könne oder sogar müsse. Dagegen wurde angebracht, dass der Werbende sich nicht seiner Informationspflichten entledigen dürfe, indem er ein Medium wähle, in welchem die Angabe der erforderlichen Daten nur schwer möglich sei. Dazu aber führe die angesprochene Differenzierung nach dem Werbemedium. Die Preisangabenverordnung, der zufolge die Preise mitgeteilt werden müssen, erlaube jedoch keine derartige Unterscheidung. Hier sei allenfalls der Gesetzgeber gefragt, die Preisangabenverordnung entsprechend zu ändern.
Für eine Differenzierung wurde hingegen die jeweils unterschiedliche Erwartungshaltung des Beworbenen angeführt. Er erwarte in einer Radiowerbung keine ebenso umfangreichen Informationen wie etwa in einer Zeitungsannonce. Zwischen einer Mitteilungspflicht nach der Preisangabenverordnung und einer Informationspflicht nach dem UWG zur Vermeidung einer Irreführung sei zu unterscheiden. Daher dürfe nicht schematisch von einem Verstoß gegen die Preisangabenverordnung auf eine Irreführung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG geschlossen werden.

Veranstaltungsdetails

09.02.2005, 18:00 Uhr - 20:00 Uhr
Ort: Schloss Mickeln, Blauer Salon
Verantwortlichkeit: