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Werkstattgespräche: Wettbewerbsrecht und allgemeines Zivilrecht

CIP Werkstattgespräche

Referenten: VorsRiOLG Karl Kotzian-Marggraf
Vizepräsident des Thüringer OLG, Jena

von Stefan Wittkamm, Wiss.Mit.

Die zweiten Werkstattgespräche des Wintersemesters 2004 / 05 stellten ein kleines Jubiläum dar: Bereits zum zwanzigsten Mal lud das Zentrum für Gewerblichen Rechtsschutz unter der Leitung von Prof. Dr. Jan Busche nach Schloss Mickeln, um sich aktuellen Themen aus dem "`grünen Bereich"' zu widmen. Die Veranstaltung stand dieses Mal ganz im Zeichen des Wettbewerbsrechts. Mit Herrn Karl Kotzian-Marggraf hatte sich nicht nur ein Praktiker und Fachmann dieses Rechtsgebiet am Rednerpult im Blauen Salon eigefunden. Als Vorsitzender Richter des für Wettbewerbssachen zuständigen II. Zivilsenat und Vizepräsident des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vermochte er auch einen kleinen Einblick in die Spruchpraxis ostdeutscher Gerichte zu geben und damit, wie er einleitend bemerkte, auch ein kleines Stück Wirtschaftsgeschichte der neuen Bundesländer zu skizzieren. In seinem Vortrag ging Herr Kotzian-Marggraf zunächst allgemein auf die delikts- und vertragsrechtlichen Schnittstellen von Zivil- und Wettbewerbsrecht ein. Anschließend stellte er einige Fälle vor, die seinem Senat vor diesem Hintergrund Probleme bereitet haben oder immer noch bereiten, nicht zuletzt aufgrund der jüngsten Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Doch zunächst führte er das Publikum über 100 Jahre zurück in die historischen Ursprünge des Verhältnisses von Delikts- und Wettbewerbsrecht: Die Entwicklung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, welche auf der so genannten Linoleum-Entscheidung aus dem Jahre 1899 (RGZ 45,59) sowie der Juteplüsch-Entscheidung (RGZ 45, 61 f.) von 1904 fußt. Nur fünf Jahre später wurde das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbwerbs umfassend novelliert und es wurden die bis heute maßgeblichen Generalklauseln als Regelungsmodell eingeführt. Trotz der Möglichkeit, unter Berufung auf den Spezialitäts- und Subsidiaritätsgrundsatz das allgemeine Deliktsrecht aus der Lösung von Wettbewerbsproblemen auszublenden, verzichtete die Rechtsprechung auf eine solche Akzentuierung. Vielmehr wurde die Figur des Gewerbebetriebs als ergänzendes Instrumentarium erhalten. Der Kurs der Rechtsprechung war jedoch keineswegs geradelinig. In jüngerer Zeit würden, so Kotzian-Marggraf, jedoch überwiegend die eingrenzenden Kriterien wie die Unmittelbarkeit oder die Betriebsbezogenheit, betont.

Wettbewerbsrecht und Vertrag
Im Bereich von Wettbewerb und Verträgen sah der Referent nur wenige Besonderheiten. Von kartellrechtlichen Sonderfragen abgesehen, seien die der Vertragsfreiheit gesetzten Grenzen zu beachten. Es sei jedoch selten üblich, dass Wettbewerber Ihre Beziehungen auf vertraglicher Grundlage regelten. Streitigkeiten ergäben sich in der Regel nur im Bereich der Wettbewerbsabreden nach § 90a HGB. Herr Kotzian-Marggra ging jedoch noch auf zwei Fälle ein (OLG Düsseldorf veröffentlicht in GRUR 1993, 851 und Thüringer Oberlandesgericht veröffentlicht in OLG-NL 2004, 121), in denen die Frage der Verantwortung von Wettbewerbsverstößen durch vertraglich verpflichtete Dritte behandelt wurde.

Der Abwehranspruch aus § 1004 BGB
"Das Sachenrecht ist eigentlich nicht der Standort, an welchem eine Konfliktlage mit dem Wettbewerbsrecht zu vermuten steht", leitete der Referent darauf zu einigen Ausführungen zur Anwendung von § 1004 BGB bei Streitigkeiten in Wettbewerbsverhältnissen ein. Und tatsächlich stellt sich die Regelung lediglich als eine Art Auffangtatbestand dar, sollte sich der wettbewerbsrechtliche Weg als zu steinig erweisen. Für die angesprochenen Fälle war folgender Sachverhalt repräsentativ: Ein Flüssiggaslieferant vermietet einen in seinem Eigentum stehenden Gastank zu subventionierten Preisen an einen Verbraucher, um diesen als Abnehmer an sich zu binden. Ein Wettbewerber versucht nun, diesen Abnehmer durch das Angebot günstigerer "'Fremdbetankungen"' als Kunden zu gewinnen. Nachdem in der Rechtsprechung die Anwendung der actio negatoria in solchen Fällen umstritten war, hat sich jüngst auch der BGH dieser Spruchpraxis angeschlossen. Herr Kotzian-Marggraf ging auf die verschiedenen Argumente des Für und Wider dieser Problematik ein, wobei er auch die Kritik der Fachliteratur berücksichtigte. Im Ergebnis schloss er sich der Meinung, der Anwendungsbereich sei eröffnet, an; Die Entscheidung sei dogmatisch richtig. Ferner spreche eine Zweckanalyse für dieses Ergebnis. Dies begründete er ausführlich.

Wettbewerbsrecht und Deliktsrecht
Anschließend stellte der Vizepräsident des Thüringer Oberlandesgerichts einige Fälle vor, die die bereits angesprochene Schnittstelle zwischen Delikts- und Wettbewerbsrecht verdeutlichten. In einem ersten Fall ging es um Fragen des Vertragsbruchs und der Abwerbung von Mitarbeitern (Thüringer OLG, OLG-NL 1997, 115). Im Anschluss daran beleuchtete er die aufgezeigte Problematik, die gezielte Behinderung von Mitbewerbern durch Abwerben, nach der neuen Rechtslage und kam zu dem Ergebnis, dass es nunmehr mehrere Anknüpfungspunkte für diese Fallgruppe gäbe:"'Der vordem monolithische § 1 UWG a.F. wird zum vielköpfigen Wesen"', schloss der Referent seine Analyse. Herr Kotzian-Marggraf ging im Anschluss noch allgemein auf die systematische Verknüpfung von Zivil- und Wettbewerbsrecht ein und sprach sich für die Erarbeitung von Strukturen aus, die eine Synchronisation der Maßstäbe dieser beiden Rechtsgebiete ermöglicht. Dabei könne es auch notwendig werden, das Institut des eingerichteten und ausgeübten Gewerbetriebes aufzugeben. Er könne - parallel zum Wettbewerbsrecht - unterhalb der Schwelle des § 826 nur wenig sinnvolles leisten. Aber auch im Übrigen seien die Normen in Einklang zu bringen mit den allgemeinen Grundlagen. Es sei durchaus möglich die Rechtsfortbildung, welche sich an den europäischen Vorgaben orientiert, in Einklang zu bringen mit den nationalen Wurzeln des Deliktsrechts.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Im letzten Abschnitt seines Vortrags ging der Referent auf das Problem der "`unzumutbaren Belästigung"' ein. Er skizzierte die Herleitung der Problematik von der BGH Entscheidung BGHZ 50, 188 bis zur heutigen Kodifikation in § 7 UWG. In seinem Schlusswort kritisierte er diese im Zuge der jüngsten UWG-Reform neu konzipierten Regelung. Es sei ein Anachronismus, dass dem Verbraucher, immerhin nunmehr auch ausdrückliches Schutzgut des UWG, nach wie vor die wettbewerbsrechtliche Klagebefugnis vollständig vorenthalten werde.

Anschließende Diskussion
An den Vortrag schloß sich eine lebhafte Diskussion an. Neben Fragen, die auf die Klärung offen gebliebener Fragestellungen abzielten gab es in bester Tradition der Werkstattgespräche auch Anmkerkungen aus der Praxis zu einigen der angesprochenen Themengebiete, wie etwa die Anwendung der actio negatoria zur Verhinderung von Fremdbetankungen. Weitere Fragen wurden zum Teil kontrovers diskutiert und konnten im Anschluss in der Schlossbar auf Mickeln vertieft werden.

Veranstaltungsdetails

07.11.2004, 18:00 Uhr - 20:00 Uhr
Ort: Schloss Mickeln, Blauer Salon
Verantwortlichkeit: