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Werkstattgespräche: Mediation im Gewerblichen Rechtsschutz

CIP Werkstattgespräche

Referent: Prof. Dr. André Niedostadek LL.M., Hochschule Harz, Halberstadt

Zum Jahresbeginn 2011 hat die Bundesregierung das Mediationsgesetz auf den Weg gebracht. Erklärtes Ziel ist es, die außergerichtliche Konfliktlösung zu stärken. Wo steht das Gesetzgebungsverfahren aktuell (die zugrunde liegende EU-Mediationsrichtlinie war bereits bis Mai 2011 umzusetzen)? Bieten sich konkrete Einsatzmöglichkeiten im Rahmen des Gewerblichen Rechtschutzes? Welche Chancen und Risiken sind damit verbunden?

Mit dem Thema „Mediation im Gewerblichen Rechtsschutz“ begaben sich die Werkstattgespräche im Oktober 2011 auf noch recht unbekanntes Terrain, so dass der Beitrag von Prof. Dr. André Niedostadek vor allem als Wegbereiter eines neuen Verständnisses in der Streitbeilegung im gewerblichen Rechtschutz zu verstehen war. 

Bevor jedoch der jeweiligen Einsatzmöglichkeiten des Mediationsverfahrens im gewerblichen Rechtschutz diskutiert werden konnten, setzte sich der Vortrag von Prof. Niedostadek zunächst mit der Mediation im Allgemeinen auseinander. Mediation als alternatives außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren möchte Prof. Niedostadek nicht als Allheilmittel bestehender Unzulänglichkeiten des ordentlichen Gerichtsverfahrens verstanden haben, sondern vielmehr als „eine Möglichkeit unter vielen“. Dennoch ließen sich durch die Konfliktlösung im Wege der Verhandlungslösung oft bessere, weil zukunftsorientierte Lösungen entwickeln. Während sich die gerichtlichen Entscheidungen vor allem mit vergangenen Streitgegenständen und Interessen der Parteien auseinandersetzen, kann im Weg der Mediation gerade auf die zukünftigen Interessen der Parteien eingegangen werden und somit ein dauerhaftes und gütliches Ergebnis erzielt werden. Nicht die eigentliche rechtliche Bewertung vergangenen Verhaltens, sondern die oft abweichenden dahinterstehenden Interessen der Parteien prägen die Streitbeilegung im Mediationsverfahren. Um diese noch einmal zu verdeutlichen, bediente sich Prof. Niedostadek dem „Orangenbeispiel“, welches erstmals 1940 von  Follett (*1) veröffentlicht, die Bedeutung der dahinterstehenden Interessen der Konfliktparteien beschreibt und in den Fokus der Konfliktlösung rückt. Ausgehend von zwei Schwestern, die jeweils die einzige noch verfügbare Orange begehren, wäre vordergründig das Teilen dieser Orange die wohl gerechteste Lösung. Wenn jedoch die dahinterstehenden Interessen – Verwendung der Schalen für einen Kuchen bzw. des Saftes wegen seiner Vitamine – verstanden werden, kann jede der Schwestern vollständig zufriedengestellt werden. Das Auffinden von kompatiblen zukünftigen Interessen ist somit Aufgabe des Mediationsverfahrens und gibt diesem sein Gepräge.

Nachdem –  in der Praxis oft mit Schwierigkeiten verbunden – die Parteien sich zur Durchführung einer Mediation entschieden haben, wird nach der jeweiligen Darstellung der eigenen Position die Suche nach möglichen hintergründigen Interessen in den Mittelpunkt des Mediationsverfahrens gestellt. Durch bestimmte Fragetechniken bewirkt der Mediator, dass die Parteien ihre eigentlichen Motive offenbaren und somit eine einvernehmliche Lösung erzielt werden kann. Da der Mediator selbst keine Entscheidungskompetenz hat, sondern die Parteien lediglich beim Auffinden einer einvernehmlichen Lösung begleitet, kann die letztendliche Vereinbarung auch keine urteilsgleiche Bindung entfalten. Um diese jedoch zumindest annäherungsweise zu erreichen, werden die Vereinbarungen teilweise durch eine notarielle Beteiligung abgesichert. Prof. Niedostadek wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die der Mediation immanente interessengerechte Konfliktlösung zumeist eine weitergehende Absicherung entbehrlich macht. 

Es sind vor allem die Kernprinzipien der Mediation, die anders als etwa in gerichtlichen Verfahren zu einer für alle Parteien zufriedenstellenden Lösung führen. Die Freiwilligkeit der Parteien bereitet bereits vor Beginn der eigentlichen Mediation ein Fundament für gewillte Verhandlungen, welche noch einmal dadurch gefördert werden, dass beide Parteien als „Herren des Verfahrens“ jederzeit selbst über dieses bestimmen können und somit bei einer Beteiligung an dessen Gelingen interessiert sind. Letztendlich ist es jedoch gerade die stets sicherzustellende Vertraulichkeit des Verfahrens, die es den Parteien ermöglicht ihre eigentlichen Interessen bereitwillig zu öffnen, so dass die erzielte Lösung auch die wirklichen Interessen der Parteien wiederspiegeln kann.

Die sich aus der Art und Weise des Verfahrens ergebenen Vorteile sind vor dem Hintergrund der genannten Prinzipien offensichtlich. Durch die Eigenverantwortlichkeit der Parteien ist diesen garantiert, das Verfahren in seinem Ablauf selbstbestimmt zu gestalten und innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zum Abschluss zu bringen, so dass die zu erwartenden Verfahrenskosten ebenfalls überschaubar bleiben. Dies gilt umso mehr, als dass im Mediationsverfahren keine streitwertabhängige Kostenregelung besteht. Jedoch ist zu bedenken, dass anders als im gerichtlichen Verfahren die erforderliche dauerhafte Anwesenheit der Parteien ebenfalls mit erheblichen Kosten einhergehen kann. Abschließend beschrieb Prof. Niedostadek die Möglichkeit der Risikominimierung als einen der wichtigsten Vorzüge des Mediationsverfahrens, bevor er sich den Problemen der Mediation zuwendete. Soweit etwa gerade im gewerblichen Rechtschutz Streit über das Bestehen eines Schutzrechtes besteht, können die Parteien im Rahmen des Mediationsverfahrens oft nicht über dieses disponieren, sondern lediglich relative Vereinbarungen treffen. Daneben birgt die Vertraulichkeit und notwendige Offenheit des Mediationsverfahrens die Gefahr, dass eine der Parteien eher an der Erlangung von Informationen interessiert ist und somit die Mediation im eigenen Interesse zweckendfremdet.

Trotz oder gerade wegen dieser Schwächen hat sich der Gesetzgeber Anfang 2011 im Rahmen der notwendigen Umsetzung der Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen zum großen Wurf entschlossen und ein allgemeines Mediationsgesetz auf den Weg gebracht, welches nicht nur grenzüberschreitentende Sachverhalten regeln soll. Im Rahmen der Gesetzesdiskussion haben vor allem die beabsichtigten Regelungen zur sog. gerichtsinternen Mediation zu hitzigen Debatten geführt, da es gerade den Richtern schwerfalle, sich von ihrer gewohnten Rolle des Entscheiders zu lösen. Ein zweiter Problemschwerpunkt sind die teilweise geforderten Mediationsstandards, wobei vor allem die Anwaltschaft eher geringe Ausbildungsvoraussetzungen wünscht. Das Justizministerium wird sich daher wohl auf die Marktkräfte zurückziehen und gänzliche auf Ausbildungsstandards verzichten. Aufgrund der streitbedingten Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens wird wohl frühestens im Frühjahr 2012 mit einer Regelung zu rechnen sein.

Nach einem allgemeinen Überblick wendet sich Prof. Niedostadek zum Abschluss des Vortrags den Anwendungsmöglichkeiten im gewerblichen Rechtsschutz zu. Diesbezüglich verwies er vor allem auf die Möglichkeit im Rahmen von Verletzungsverfahren zu einer gütlichen Einigung zu gelangen. Soweit dies jedoch gleichzeitig mit einem Löschungsbegehren einhergehen, fehlt es der Mediation an der erforderlichen Dispositionsbefugnis. Die Mediation sei daher vor allem im Rahmen von Einspruchsverfahren ein sinnvolles Werkzeug, um die Parteien vor unnötigen Rechtstreitigkeiten zu bewahren. Jedoch muss gerade bei Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern darauf geachtet werden, dass die im Wege einer Mediation erzielten Abgrenzungsvereinbarungen nicht als kartellrechtswidrig zu qualifizieren sind.

Mit einer anregenden Diskussion über die Vorgaben der Richtlinie und den möglichen Folgen der Mediation für die Anwaltshaftung endete ein gelungener Vortragsabend, welcher noch zu weiteren Diskussion im schönen Ambiente des Schlosskellers geführt haben dürfte.

(*1) Siehe dazu Follett, Mary Parker: Constructive conflict, In Metcalf/Urwick (Red.), Dynamic administration: The collected papers of Mary Parker Follett, 1940, New York.

Autor: Jan Gottschalk

Veranstaltungsdetails

26.10.2011, 18:00 Uhr - 20:00 Uhr
Ort: Schloss Mickeln, Blauer Salon
Verantwortlichkeit: