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Werkstattgespräche: Bekämpfung von Produktpiraterie aus Sicht eines Markenartikelherstellers

CIP Werkstattgespräche

Referenten: Rechtsanwälte Joachim Renner / Frank-Olaf Walter 
Henkel KAaA, Düsseldorf

von Sascha Vander, Wiss. Mit.

Die diesjährige Auftaktveranstaltung der Werkstattgespräche im Sommersemester 2005 stand ganz im Zeichen der Produktpiraterie. Die Herren Rechtsanwälte Joachim Renner und Frank-Olaf Walter, beide in der markenrechtlichen Abteilung der Henkel KGaA tätig, erläuterten Hintergründe und Strategien zur Bekämpfung der Produktpiraterie aus Sicht von Henkel.

I. Kurzvorstellung des Unternehmens

Die Referenten stellten zunächst die wesentlichen Strukturen bzw. Geschäftsfelder ihres weltweit operierenden Unternehmens vor. Einen wesentlichen Schwerpunkt bildet die Herstellung von Produkten für den Verbraucherbereich mit den drei Hauptbereichen Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetik- und Pflegeprodukte sowie Klebstoffe. Neben der am Endverbraucher orientierten Produktpalette erfolgt zudem die Fertigung von Produkten für die Industrie mit dem Schwerpunkt Industrieklebstoffe.

II. Definition Produktpiraterie
Zur Einordnung des Begriffs der Produktpiraterie unternahmen die Referenten den Versuch einer definitorischen Erklärung. Insoweit wurden Piraterieprodukte als sog. Fakes definiert. Diese stellen eine Kopie des Originalprodukts dar, welche nicht unterscheidbar vom Original bzw. als Original in den Warenverkehr gebracht werden sollen.

Hierzu grenzten die Referenten die sog. Look-Alikes ab, die keine identische Nachbildung eines Originalprodukts darstellen, aufgrund ihrer Aufmachung jedoch regel- und planmäßig eine Assoziation zum Originalprodukt herstellen. Ebenfalls abgegrenzt wurden Parallel-Importe, welche aus der Originalherstellung stammen und entgegen der Zweckbestimmung in Handelsmärkte gelangen, für welche die Produkte nicht bestimmt waren (z. B. Vertrieb von Produkten, die für den osteuropäischen Markt bestimmt sind, in Deutschland).

III. Betroffenheit von Henkel durch Produktpiraterie
Im nächsten Teil des Vortrags erläuterten die Referenten die Hintergründe für die starke Betroffenheit von Henkel im Bereich der Produktpiraterie. Als Hauptgrund für die vielfache Herstellung der Fakes von Henkel-Produkten nannten die Referenten insbesondere die Bekanntheit des Unternehmens bzw. seiner Markenartikel. Die Popularität eines Unternehmens und seiner Marken sei ausschlaggebend für die Betroffenheit im Bereich der Produktpiraterie.

Insbesondere der Bereich der Konsumgüter sei in besonders starkem Ausmaß von nachgeahmten Produkten betroffen. Dies liegt nach Einschätzung der Referenten insbesondere an dem Umstand, dass sich der Absatz von Plagiaten im unternehmerischen Umfeld ungleich schwieriger gestalte. In jüngerer Zeit sei jedoch auch im industriellen Bereich eine Zunahme von Produktfälschungen festzustellen.

Im Anschluss an diesen allgemeinen Überblick zur Situation bei Henkel schilderten die Referenten zahlreiche Beispiele, in denen Fälle von Produktpiraterie aufgedeckt werden konnten, in denen Henkel-Produkte betroffen waren. Zur Veranschaulichung hatten die Referenten einige Anschauungsobjekte mitgebracht, die verdeutlichten auf welch hohem Niveau Produktfälschungen aktuell produziert werden. Insbesondere die Verpackung der Produkte war ohne Fachkenntnisse regelmäßig nicht vom Original zu unterscheiden.

Die zahlreichen Beispiel zeigten mit erstaunlicher Deutlichkeit, dass die Quelle von Produktpirateriewaren in der Vielzahl der Fälle aus dem asiatischen Raum zu finden war. Nach Angaben der Referenten seien vor allem China und Thailand als Hauptquellen nachgeahmter Markenwaren auszumachen (Gesamtanteil: ca. 45 %). Der Hauptumschlagsplatz für Produktpiraterieware sei hingegen im mittleren Osten anzusiedeln, wobei Dubai ein Schlüsselrolle zukomme.

Die starke Produktpiraterie in Bezug auf Henkel-Produkte hat erhebliche finanzielle Auswirkungen. Auch wenn sich die Referenten nicht auf konkrete Zahlen festlegen wollten, verdeutlichte ein einzelnes Fallbeispiel mit der Beschlagnahme von 250.000 nachgeahmten Produkten im Schwarzmarktwert von 500.000 Euro, dass der Gesamtschaden immense Ausmaße haben dürfte. Schätzungen internationaler Institutionen beziffern den Anteil von Piraterieprodukten am gesamten weltweiten Handelsaufkommen mit Markenartikeln auf 5 bis 9 %, was einem Schaden in Höhe von 250 bis 450 Milliarden US-$ entspricht. Allein in Deutschland wird der jährliche Schaden auf 25 Milliarden Euro geschätzt. Letzte Schätzungen gehen sogar von 30 Milliarden aus. Die Genauigkeit dieser Schätzungen stellten die Referenten allerdings in Frage. Als verlässlich bezeichneten sie hingegen die statistischen Angaben des deutschen Zolls, der nach eigenen Angaben im letzten Jahr in mehr als 8.500 Fällen aktiv werden musste und Waren im Wert von 145 Millionen Euro sicherstellen konnte. Nähere Angaben und Informationen unter: www.grenzbeschlagnahme.de

IV. Risiken der Produktpiraterie
Nach der Darstellung der Fallbeispiele nahmen die Referenten zu den Gefahren der Produktpiraterie für das Unternehmen Stellung.

Als Hauptgefahr der Verbreitung von Plagiaten hoben die Referenten den drohenden Imageverlust hervor, der daraus resultiere, dass die nachgeahmten Produkte regelmäßig eine mindere Qualität aufwiesen und insoweit Unzufriedenheit und Enttäuschung von Kunden zu erwarten sei, die vielfach sehr hohe Qualitätsanforderungen an Henkel-Produkte stellten. Insbesondere durch die Verbreitung negativer Verbraucherberichte in einschlägigen Internet-Foren könne die Unzufriedenheit einzelner Kunden zu erheblichem Schaden und Imageverlust führen.

Zudem bestehe die Gefahr, dass für einzelne Produkte offizielle Produktwarnungen herausgegeben werden, soweit von den nachgeahmten Produkten eine Gefahr ausgehe. Der mit einer solchen Warnung einhergehende Imageverlust sei gewaltig.

Schließlich wiesen die Referenten auch auf eine haftungsrechtliche Problematik hin. Neben einem möglichen Imageverlust stehe zumindest theoretisch die Gefahr einer Inanspruchnahme nach dem Produkthaftungsgesetz im Raume. Soweit nachgeahmte Produkte unter dem Namen Henkel oder unter Verwendung von Markenrechten des Unternehmens in Umlauf gebracht würden und aufgrund mangelhafter Qualität Schäden entstünden, spreche zunächst der erste Anschein für die Herstellung des Produkts durch Henkel, so dass Henkel der Gegenbeweis dafür obliege, dass es sich nicht um Originalprodukte von Henkel, sondern um Plagiate handele. Zu Beweissicherungszwecken würden daher sämtliche Produkte bzw. Produktsubstanzen hinterlegt, um im Streitfall eine objektive Originalprobe als Vergleich heranziehen zu können.

V. Gegenmaßnahmen
Im letzten Teil des Vortrags widmeten sich die Referenten möglichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Produktpiraterie.

Das primäre Ziel bei der Bekämpfung der Produktpiraterie bestehe in der Entfernung von Plagiaten aus dem Handelsverkehr. Insoweit liege bei Auffinden von Plagiaten stets die Priorität stets in der Vernichtung gefälschter Waren. Die Ermittlung von Produktpirateriewaren sei zunächst der wesentliche Ansatzpunkt. Durch ein ganzes Maßnahmenbündel (Identifikation von Fakes, Ermittlung der Importeure, Testkäufen, Ermittlung der Produktionsstätten, Zugriff über lokale staatliche Institutionen) werde der Versucht unternommen, das Übel an der Wurzel zu bekämpfen, d. h. die Herstellungs- und Vertriebsstrukturen aufzudecken und auszuschalten.

Als Basis für einen effektiven Schutz von Originalprodukten hoben die Referenten die maßgebliche Bedeutung eines umfassenden weltweiten Schutzes der IP-Rechte hervor. Da die wettbewerbsrechtlichen Möglichkeiten im internationalen Vergleich eher wenig effektiv seien, sei eine konsequente Schutzrechtsstrategie unerlässlich.

Als zweites wesentliches Mittel nannten die Referenten eine möglichst weitgehende Beobachtung des Marktes. In diesem Zusammenhang wurde die Bedeutung einer guten Zusammenarbeit mit dem Zoll hervorgehoben. Insbesondere die Einleitung von Grenzbeschlagnahmeverfahren sei ein wichtiger Eckpfeiler bei der Bekämpfung der Produktpiraterie. Da lediglich in 5 % der Fälle von Amts wegen eingeschritten werde (sog. ex-office-Maßnahmen), komme den Grenzbeschlagnahmeanträgen eine hohe Bedeutung zu. Die Zusammenarbeit mit den örtlichen Zollbehörden (in China fällt diese Aufgabe der AIC, im mittleren Osten der Chamber of Commerce zu) sei teilweise schwierig, auch wenn zuweilen – insbesondere auf der unteren Verwaltungsebene – gute Erfolge erzielt werden könnten. Hohe Bedeutung maßen die Referenten ebenfalls der Etablierung eines Netzwerks aus Tochtergesellschaften, Distributoren und lokalen Ansprechpartnern zu, da der nötige Informationsfluss erst durch ein möglichst flächendeckendes Geflecht zu gewährleisten sei. Auch persönliche Kontakte seien insbesondere im asiatischen Raum sowie im mittleren Osten unerlässliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Gegenstrategie. Daneben wurde schließlich auf die Möglichkeiten von Messekontrollen, der Register- bzw. Kollisionsüberwachung sowie des Internet-Screenings (regelmäßige Prüfung einschlägiger Vertriebsplattformen, etc.) hingewiesen. Besondere Beachtung erfahren nach Angaben der Referenten auch Kundenreklamationen, bei denen sich vielfach herausstelle, dass Plagiate Grund für die Beanstandung sind.

Auf eine Nachfrage zur Verwendung von Sicherheitsmerkmalen (z. B. Hologramme, etc.) reagierten die Referenten zurückhaltend. Insofern habe es Überlegungen gegeben, regelmäßig schieden derartige Maßnahmen jedoch aus Kostengründen aus.

Neben der Überwachung des Marktes spielen weitere Strategien eine wichtige Rolle. Eine intensive Lobby-Arbeit (insbesondere durch Mitgliedschaft in einschlägigen Institutionen), die Bildung von Allianzen (zum Teil sogar mit Konkurrenzunternehmen) und eine intensive Pressearbeit seien von erheblicher Bedeutung.

VI. Diskussion
Der Vortrag schloss mit einer lebhaften Diskussion über mögliche Schutzrechtsstrategien sowie weitere denkbare Gegenmaßnahmen.

Anhang: <media 29841>Präsentation</media>

Veranstaltungsdetails

20.04.2005, 18:00 Uhr - 20:00 Uhr
Ort: Schloss Mickeln, Blauer Salon
Verantwortlichkeit: