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Werkstattgespräche: Die EU-Richtlinie zu Sanktionen und Rechtsbehelfen im Bereich des Geistigen Eigentums

CIP Werkstattgespräche

Referent: Dr.Jörg Reinbothe M.C.L.
Europäische Kommission,
Brüssel 

von Philipp Runge, Wiss. Mit.

Der Vortrag
Das Zentrum für Gewerblichen Rechtsschutz konnte am 19. Oktober 2004 einen erstrangigen Kenner des Europäischen Rechts und des geistigen Eigentums als Referenten gewinnen. Redner bei den Werkstattgesprächen auf Schloss Mickeln war dieses Mal Herr Prof. Dr. Reinbothe aus Brüssel. Prof. Dr. Reinbothe war als Verhandlungsführer für die Generaldirektion Binnenmarkt der EU-Kommission unmittelbar an der Schaffung der Richtlinie über die Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum beteiligt. Aus dieser Sicht schilderte er plastisch die Verhandlungen zur Richtlinie, die in Rekordzeit verabschiedet wurde. Herr Reinbothe erklärte, dass dies zum einen an der grundsätzlichen Einigkeit der Mitgliedsstaaten und der Europäischen Institutionen lag, das geistige Eigentum in Europa stärker zu schützen. Zum anderen sei der Verhandlungsdruck wegen der anstehenden Wahlen zum Europaparlament und der EU-Osterweiterung im Mai besonders hoch gewesen.

Motivation für die Initiative der Kommission sind die schweren wirtschaftlichen Schäden durch Marken- und Produktfälschung sowie durch Urheberrechtsverletzungen im Binnenmarkt. Die Piraterie bei Medikamenten, Ersatzteilen, bei Software und Medienträgern sind eine Gefahr für die Sicherheit des Verbrauchers, sie führen zu Wettbewerbsverzerrungen und Verlusten bei den Steuereinnahmen. Das konkrete Ausmaß der Schäden ist schwer feststellbar. Auch stammen viele Statistiken von den betroffenen Rechteinhabern. Herr Prof. Dr. Reinbothe stellte aber klar, dass es letztlich nicht auf exakte Zahlen ankomme: „Schon ein bisschen Piraterie ist zuviel.“

In inhaltlicher Hinsicht stellte Herr Prof. Dr. Reinbothe insbesondere die Bestimmungen heraus, die vom Abkommen der Welthandelsorganisation über die handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS) abweichen. Er betonte, dass es nicht Ziel der Richtlinie sei, die Maßnahmen gegen Verletzer von Immaterialgüterrechten pauschal zu verschärfen. Vielmehr sollten aus den Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten die bewährten Bestimmungen übernommen werden (Best-Practice-Ansatz). Als Beispiel nannte er die Vorschrift über Ersatzmaßnahmen gemäß Art. 12, die über das TRIPS hinausgehe, jedoch eine Bestimmung zugunsten der Verletzer, nicht der Rechteinhaber darstelle.

Diskussion und Fragen

Die Zuhörer interessierte besonders, welche Auswirkungen die Richtlinie auf das deutsche Recht haben werde. Herr Prof. Dr. Reinbothe stellte fest, dass die Harmonisierungswirkung mancher Bestimmungen nur gering ausfalle. Die Vorschriften über die Antragsbefugnis gemäß Art. 4 beispielsweise seien von den Mitgliedsstaaten nur dann umzusetzen, sofern sie mit dem nationalen Recht vereinbar seien. Prof. Dr. Reinbothe wies darauf hin, dass auch bei der Anwendung der Richtlinie der Richter immer das letzte Wort haben werde. In manchen Punkten werde das Ausmaß der Harmonisierung also von der Rechtsprechung abhängen. Dies gelte gerade für die drastischen Unterschiede bei den Schadensersatzsummen in den Mitgliedsstaaten.

Die Frage, ob die Richtlinie zu einem besonderen Zivilprozessrecht für den gewerblichen Rechtsschutz und das Urheberrecht führe, konnte Herr Prof. Dr. Reinbothe verneinen. In den Verhandlungen im Rat der Europäischen Union hätten alle Mitgliedsstaaten zu erkennen gegeben, dass sie keine Sonderregelungen schaffen wollten.

Herr Prof. Dr. Jan Busche, Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Gewerblichen Rechtsschutz fragte, ob und wie der Erfolg der Richtlinie bei der Bekämpfung der Piraterie überprüft werde. Herr Prof. Dr. Reinbothe führte dazu aus, dass die Richtlinie die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, der Kommission über die Auswirkungen der Umsetzung zu berichten. Bedauerlicherweise sei kein Kontaktausschuss zwischen Kommission und Mitgliedsstaaten durchsetzbar gewesen, der die Bewertung der Gesetzgebung in der Praxis institutionalisiert hätte.

Fazit
Herr Prof. Dr. Reinbothe stellte zum Schluss klar, dass die Richtlinie wie alle Europäischen Normen Ergebnis eines langen und zähen Ringens unter den Mitgliedsstaaten und den Institutionen sei. Der gefundene Kompromiss sei aber besser als nichts. Die Richtlinie sei nicht nur ein Instrument zur Verfolgung von Rechtsverletzungen. Sie diene als Vorbild für andere Nationen und sei ein politisches Bekenntnis für den Schutz des geistigen Eigentums, das derzeit „keine Hausse erlebe“.

Veranstaltungsdetails

19.10.2004, 18:00 Uhr - 20:00 Uhr
Ort: Schloss Mickeln, Blauer Salon
Verantwortlichkeit: