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Werkstattgespräche: Plagiat oder Neuschöpfung?

CIP Werkstattgespräche

Referent: RA Dr. Wolfgang Maaßen
Düsseldorf 
 

von Wiss. Mit. Philipp Runge

Urheberrecht war das Thema der Werkstattgespräche auf Schloss Mickeln am 15. Dezember 2004. Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Maaßen aus Düsseldorf referierte zum urheberrechtlichen Schutz von Fotografien. Besondere Relevanz gewinnt dieser durch die häufige Praxis von Werbeagenturen, fremde Fotografien für Werbeaktionen zu nutzen. Dabei stellt die schlichte Übernahme die Ausnahme dar. Die Werbeagenturen übernehmen Werkteile oder verfremden Fotografien durch die Farbgebung oder durch besondere Dunkelkammermethoden wie dem Kontern. Sie kopieren markante Arrangements, bedienen sich bei Konzepten, Motiven oder Techniken und lassen Modelle in ähnlichen Stellungen posieren. Die Fragen des Urheberrechts lauten dann: Was ist geschützt und was ist frei? Was darf auf welche Weise genutzt werden?

Herr Dr. Maaßen, der auch als Justitiar des Bundes Freischaffender Fotodesigner tätig ist, erklärte einführend, welche Normen des Urheberrechts für Fotografien gelten. Eine urheberrechtliche Besonderheit im Bereich der Fotografie liegt in der grundsätzlich gleichen Behandlung von persönlichen geistigen Schöpfungen und einfachen Alltags- oder Gebrauchsfotografien. Das Urheberrecht schützt Lichtbilder in entsprechender Anwendung der Regeln für Lichtbildwerke, § 72 Abs. 1 UrhG. Ob der Schutzbereich eröffnet ist, ist aber schwierig zu beurteilen, je nachdem, unter welchem Aspekt man eine Fotografie betrachtet. Unstreitig ist, dass Motive nicht urheberrechtlich geschützt sind. Die Sicht auf eine Landschaft oder ein Gebäude soll nicht durch einen Fotografen monopolisiert werden. Auch Posen sind nach der Rechtsprechung frei. Wie ist es aber bei einer Pose, die auf einem künstlerischen Arrangement beruht? Herr Dr. Maaßen zeigte anhand dieses Grenzfalles, den das OLG Köln zu entscheiden hatte, wie schwer die urheberrechtliche Beurteilung sein kann. In diesem Fall entschied das Gericht, dass die Pose geschützt sei (OLG Köln, Urteil vom 5. 3. 1999, 6 U 189/97 - "Klammerpose").

Ein anderer rechtlicher und künstlerischer Grenzbereich, den Herr Dr. Maaßen anhand einer Fotografie von Rirkrit Tiravanija vorstellte, ist die so genannte Appropriation Art. Bei dieser Kunstrichtung übernimmt der Künstler das Werk eines anderen Künstlers und gibt ihm einen neuen Titel. Die für die Appropriation Art maßgebliche Künstlerin Elaine Sturtevant bezweckt mit ihrer Arbeit, „unsere gegenwärtige Vorstellung von Ästhetik zu erweitern und zu entwickeln, Originalität zu erforschen und die Beziehung von Original zu Originalität zu erkunden und Raum für neues Denken zu eröffnen.“ Die Frage nach der urheberrechtlichen Zulässigkeit beantwortet die Kunsttheorie indes nicht. Herr Dr. Maaßen kommt zu dem Schluss, dass die Appropriation Art unter keinem Aspekt des Urheberrechts zu rechtfertigen sei, weder als freie Benutzung, noch als Parodie, noch als Kunstzitat. Auch die Rechtfertigung mittels des Grundrechts der Kunstfreiheit komme nicht in Frage, da so die spezialgesetzlichen Schranken des Urheberrechts umgangen würden.

Begleitend zu seinen rechtlichen Ausführungen und den Beispielen aus der Rechtsprechung zeigte Dr. Maaßen zahlreiche Fotografien. Die Bilder veranschaulichten Begriffe wie Parodie und Zitat und hatten nicht zuletzt hohen Unterhaltungswert. Mit seinem Vortrag machte Herr Dr. Maaßen deutlich, wie sehr der Urheberrechtler im Bereich der Fotografie auf Visualität und seine Kenntnis der Kunst- und Gebrauchsfotografie angewiesen ist. Auch in Prozessen, so Rechtsanwalt Dr. Maaßen, sei es entscheidend, dem Gericht möglichst viele Vergleichsfotografien zu zeigen, um zu einem gemeinsamen Beurteilungsmaßstab zu gelangen.

Wie schwierig und gleichzeitig gewinnbringend die urheberrechtliche Beurteilung von Fotografien und Fototechniken für den Juristen ist, zeigte sich dann auch bei der angeregten Diskussion im Anschluss an den Vortrag. Nach diesen Werkstattgesprächen werden viele Zuhörer (und Zuschauer) Werbeplakate und Zeitungsanzeigen wohl mit anderen Augen sehen.

Veranstaltungsdetails

15.12.2004, 18:00 Uhr - 20:00 Uhr
Ort: Schloss Mickeln, Blauer Salon
Verantwortlichkeit: