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Werkstattgespräch: Der Kampf um den Endverbraucher - Wettbewerb im liberalisierten Energiemarkt

CIP Werkstattgespräche

Werkstattgespräch: 13. Juni 2018, 18 Uhr, Haus der Universität

 

Der Kampf um den Endverbraucher - Wettbewerb im liberalisierten Energiemarkt

 

Referent: RA Andreas Auler, Kanzlei Siebeke – Lange – Wilbert, Düsseldorf

 

 

Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Herr Prof. Dr. Busche die Zuhörerschaft und stellte den Referenten Herr RA Auler der Kanzlei „Siebeke Lange Wilbert“ in Düsseldorf vor. Der Referent werde im Folgenden zu dem lauterkeitsrechtlichen Thema „Der Kampf um den Endverbraucher Wettbewerb im liberalisierten Energiemarkt“ vortragen, das sich mit dem zunehmenden Wettbewerb im Bereich der Energieversorgung und den daraus resultierenden wettbewerbsrechtlichen Schwierigkeiten beschäftige.

 

I. Zunächst bedankte sich Herr Auler für die Einladung zum Werkstattgespräch im Haus der Universität. Nach kurzen einführenden Worten in die Thematik verwies er darauf, dass der Energiemarkt früher stark monopolisiert gewesen sei. In Gebietsmonopole eingeteilt, hätten die Stadtwerke das Endkundengeschäft abgewickelt. Durch langjährige Konzessionsverträge zwischen den Gemeinden und den Energieversorgungsunternehmen sei der Endkunde stets an den jeweiligen Versorger gebunden worden. Erst durch die Einführung des Gesetzes zur Neuregelung des Energiemarktes, das am 24. April 1998 in Kraft trat, sei der Energiemarkt liberalisiert worden. Darauffolgende Novellen hätten weiter zur Öffnung des Energiemarktes beigetragen. Es sei zu unterscheiden zwischen dem Markt zur Energieerzeugung, dem Markt zur netzgebundenen Übermittlung, dem Markt zum Endverkauf an Kunden sowie dem Markt zur Messstellentechnik. Diese Märkte, jeweils bis 1998 monopolisiert, würden zunehmend durch neue Geschäftsmodelle aufgebrochen.

Zur Veranschaulichung der Organisation von Stromnetzbetreibern verwies der Referent auf eine mitgebrachte Deutschlandkarte. Dieser ließ sich entnehmen, dass sich Deutschland aufteilen lässt in vier Bereiche, die den vier Übertragungsnetzbetreibern Tennet, Amprion, Transnet BW und 50Hertz zuzuordnen sind. Im Vergleich dazu sei die Auswahl der Stromanbieter deutlich größer: Im Jahr 2018 sei bei 1.174 Anbietern zwischen 12.000 verschiedenen Tarifen zu unterscheiden. Trotz einer durchschnittlichen Auswahl von 91 Stromanbietern pro Wohnort würden 30 Prozent der Stromkunden noch immer grundversorgt. Grundversorger sei, wer in einem regionalen Gebiet gesetzlich verpflichtet werde, die Energieversorgung sicherzustellen. Typischerweise böten sie jedoch die teuersten Tarife auf dem Energiemarkt.

In dem mittlerweile aufgebrochenen Energiemarkt stünden sich die traditionellen Stromanbieter, namentlich die Stadtwerke, neuer Konkurrenz gegenüber. Die neuen Stromanbieter führten jedoch zugleich untereinander einen lebhaften Wettbewerb. Diese Konkurrenzverhältnisse seien Anlass für Konflikte, mit denen sich das Referat nachfolgend beschäftige.

 

Um eine Verständnisgrundlage der Zuhörerschaft über den Energiemarkt zu schaffen, erläuterte Herr Auler zunächst, wie der Strom an Endkunden gebracht wird. Neben dem unmittelbaren Vertragsabschluss mit dem Energieversorger gebe es Internetportale, die als Vertriebsmittler auftreten. Überdies gebe es den klassischen mehrstufigen Vertrieb, der pyramidal und kaskadenförmig aufgebaut sei. Bei diesem mehrstufigen Vertriebsmodell bilde das Energieversorgungsunternehmen den Ausgangspunkt. Es schließe jedoch Verträge mit nachgeordneten Werbeunternehmen ab, die für den Vertrieb des Produktes zuständig seien. Solche Vertriebspartner hätten jedoch häufig weitere Untervertriebspartner, die auf Provisionsbasis arbeiteten. Sowohl zu Beginn der Liberalisierung des Energiemarktes als auch gegenwärtig würden der klassische Haustür- und der Telefonvertrieb die schwerpunktmäßige Vertriebsform bilden.

Dieses mehrstufige Modell führe zur Interessenkollision: Die auf Erfolgsbasis arbeitenden Untervertriebspartner ignorierten regelmäßig wettbewerbsrechtliche Vorgaben. Da sie jedoch in einer Vertriebskette für das Energieunternehmen agierten, stelle sich die Frage, wer für wettbewerbsrechtliche Verstöße haftbar sei. Der Referent betonte, dass die im weiteren Vortragsverlauf besprochenen Beispiele sich nicht auf ein konkretes Unternehmen bezögen, sondern Teil seines Erfahrungsschatzes seien, den er durch Vertretung der Kläger- als auch der Beklagtenseite angesammelt habe.

 

II. Der folgende Vortragsabschnitt beschäftigte sich mit der Vermittlungsform „Haustürvertrieb“, der sich nach Auffassung des Referenten in der Praxis in besonderem Maße schwierig gestalte. Dies sei einerseits darauf zurückzuführen, dass die (Unter-)Vertriebspartner regelmäßig nicht ausreichend in dem Bereich geschult seien; anderseits würden sie stets dem Thema Strom und Gas gegenüber skeptisch eingestellten Endverbrauchern begegnen. Um dennoch einen Verkauf einleiten zu können, bedürfe es daher einer Vertrauenserschleichung der Endverbraucher. Zur Erreichung dieses Ziels müssten sie jedoch regelmäßig auf Tricks zugreifen, die als wettbewerbsrechtliche Rechtsverstöße zu werten seien. Herr Auler gab im Folgenden einige Beispiele und bezeichnete dabei die (Unter-)Vertriebspartner als „Werbende“ und den kontaktierten Verbraucher als „Endverbraucher“. Diese Begrifflichkeiten werden im Folgenden ebenfalls verwendet.

Als „Türöffner“ diene häufig der sogenannte „Stadtwerketrick“, bei dem sich der Werbende als Mitarbeiter des örtlichen Stadtwerkes beziehungsweise des jeweiligen Energieversorgers ausgebe und unter Verschleierung seiner wahren Absichten durch die Vorgabe, eine Energieberatung durchführen zu wollen, Zugriff auf die relevanten Personendaten, Wohnungsverträge und Rechnungen erhalte. Unter Zuhilfenahme dieser Informationen werde anschließend ein - als solcher für den Endverbraucher vielfach nicht erkennbarer - Vertrag zur Energieversorgung aufgesetzt und von diesem blind unterschrieben. Zur Veranschaulichung las Herr Auler eine eidesstattliche Versicherung eines Endverbrauchers vor, der diesem Trick zum Opfer „gefallen“ war.

Anschließend erläuterte er, dass der „Stadtwerketrick“ auch in weiterentwickelter Form angewendet werde, indem der Werbende bei Vorlage eines Vertragsformulars des neuen Stromanbieters im Vertragsgespräch gezielt den Eindruck erwecke, dass der Endverbraucher durch Unterzeichnung des Vertrages bei seinem ursprünglichen Energieanbieter bleibe und lediglich den Tarif wechsle. Unterschreibe der Endverbraucher dennoch in diesem Irrglauben, leite er ungewollt einen Stromanbieterwechsel ein.

Ein weiterer Trick von Werbeunternehmen, um das Vertrauen des Endverbrauchers zu gewinnen, seien sogenannte „Umstellungsbehauptungen“, bei denen der Werbende zwar offenbare, für welchen Stromanbieter er tätig ist, allerdings zugleich behaupte , dass die Belieferung in Absprache mit dem Eigentümer oder dem gegenwärtigen Stromanbieter umgestellt werden müsse. Zu diesem Zwecke würden erneut die erforderlichen Daten des Endverbrauchers eingeholt und der neue Vertrag bereitwillig unterschrieben werden.

 

Diese wettbewerbsrechtlich fragwürdigen Vorgehensweisen der Werbenden führten deshalb zum Erfolg, weil der Lieferantenwechsel im Energiebereich zur schnelleren Abwicklung des Massengeschäfts digitalisiert und automatisiert worden sei. Es gebe Festlegungen der Bundesnetzagentur, die Stromanbieter als Datenformate berücksichtigen und um die jeweiligen persönlichen Daten der Endverbraucher und den Zeitpunkt der Belieferung ergänzen müssten. Der abgebende Energielieferant erhalte sodann eine vollautomatische Benachrichtigung, dass der jeweilige Kunde zu einem anderen Energielieferanten am Stichtag X wechseln werde. Blockiere er daraufhin den Lieferantenwechsel mithilfe bestimmter Marker nicht, laufe der Wechsel vollautomatisch durch. Tue er dies nicht, blieben mögliche Wettbewerbsverstöße, etwa in Form nicht vorhandener Vollmachten oder fehlender Unterschriften, aufgrund der vollautomatischen Abwicklung unberücksichtigt. Dies habe seinen Grund darin, dass die Bundesnetzagentur dem System zum Zwecke der beschleunigten Abwicklung des Massengeschäfts die Annahme wettbewerbskonformen Verhaltens aller Beteiligter zugrunde lege.

 

Dennoch stelle sich die Frage, wie solche „Türöffner-Tricks“ zu behandeln seien. Rechtlich handele es sich bei solchen irreführenden, gegebenenfalls betrügerischen Aussagen um „kleine Münze“. Sie lösten bei den betroffenen Wettbewerbern Auskunfts- und Schadensersatzansprüche aus.

Problematisch sei jedoch die praktische Vorgehensweise bei der Verteidigung aus anwaltlicher Sicht. Der Mandant, das Energieversorgungsunternehmen, wisse regelmäßig nichts von der wettbewerbswidrigen Vorgehensweise seiner (Unter-)Dienstanbieter und müsse daher eine „Informationserschaffungswelle“ zur Identifizierung der Verantwortlichen einleiten. Die Darlegungs- und Beweislast für den Wettbewerbsverstoß liege jedoch beim klagenden Energieversorgungsnehmen. Dieser komme es durch den entsprechenden Vortrag und durch eine eidesstattliche Versicherung des jeweils betroffenen Endverbrauchers nach, die regelmäßig für eine Verfügung und die Glaubhaftmachung des Anspruchs ausreichten. Als Gegenbeweis führe die Verteidigung die eidesstattlichen Versicherungen der Werbenden an. Während die Endverbraucher das aus ihrer Sicht singuläre Ereignis jedoch stets dezidiert wiedergeben könnten, beriefen sich die Werbenden regelmäßig auf reine Leerformeln: Der Endverbraucher habe ihr Verhalten missverstanden, tatsächlich habe eine Aufklärung stattgefunden; der Werbende könne sich in Anbetracht der tagtäglichen 70 bis 80 Kundenkontakte nur noch schlecht an das in Rede stehende Ereignis erinnern. Infolge dieser Leerformeln komme bei Gewichtung der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Zeugen regelmäßig der Aussage des Endverbrauchers ein höherer Wert zu als der des Werbenden. Der Referent betonte daher, dass es den Energieversorgungsunternehmen de facto nicht möglich sei, den Gegenbeweis zu erbringen und damit eine „non liquet“-Situation herbeizuführen. Im Ergebnis sei es deshalb häufig anzutreffen, dass Energieunternehmen entsprechende lauterkeitsrechtliche Prozesse verlören.

 

III. Nachfolgend widmete sich Herr Auler der Vertriebsform „Telefon“. § 7 Absatz 2 Nummer 2 des Gesetztes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) verlange für Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung. Ihr Fehlen werde seit August 2009 gemäß § 20 Absatz 1 Nummer 1 UWG als eine Ordnungswidrigkeit geahndet, die eine Geldbuße nach sich ziehe. Diese Entwicklung gehe auf das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen zurück, das am 26. Juli 2009 in Kraft trat.

Es werde vielfach versucht, Einwilligungen über Gewinnspiele einzuholen. Die Generierung der Einwilligungserklärung erfolge unter Zuhilfenahme sogenannter „Optin“-Erklärungen, bei denen der Endverbraucher eine gesonderte (Einwilligungs-)Erklärung durch individuelles Markieren eines entsprechenden Feldes abgebe. Sie ziehe die anschließende telefonische Kontaktaufnahme nach sich. Der Referent beschrieb den Ablauf der Gewinnspiele im Einzelnen: Zur Teilnahme an dem Gewinnspiel müssten die persönlichen Daten angegeben und in einer Checkbox den AGB zugestimmt werden. In einer weiteren Checkbox werde die Einwilligung zur Kontaktaufnahme mit dem Telefon zu Werbezwecken durch das das Gewinnspiel veranstaltende Unternehmen, den Sponsoren sowie durch Partnerunternehmen in Form einer „Optin“-Erklärung gefordert. Nach Absenden des Online-Formulars erhalte der Teilnehmer eine Bestätigungsemail mit einem Hyperlink, der zur Bestätigung der Teilnahme an dem Gewinnspiel angeklickt werden müsse (sogenanntes „Double-Optin-Verfahren“). Daraufhin erfolge die Verwendung der Daten zu Werbezwecken durch eine telefonische Kontaktaufnahme.

Für die Erteilung einer Einwilligung im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 2 UWG bedürfe es stets einer gesonderten Erklärung („Optin“-Erklärungen sind von „Optout“-Erklärungen abzugrenzen, bei denen der Verbraucher aktiv tätig werden und ein Kästchen ankreuzen muss, wenn er seine Einwilligung nicht erteilen will). Dies resultiere aus § 7 UWG, der die in Artikel 13 der Richtlinie 2002/58/EG enthaltenen Vorgaben zum Schutz der Privatsphäre des Betroffenen vor unverlangt auf elektronischem Wege zugesandter Werbung umsetzte. Aus diesem Grund orientiere sich auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Beantwortung der Frage, was eine Einwilligung sei, an dieser Richtlinie (Urteil vom 16.07.2008,- VIII ZR 348/06 - Payback, Rn. 43 ff., 47). Dessen Erwägungsgrund 17 erkläre den Schutz der Privatsphäre des Betroffenen vor neuen Risiken durch öffentliche Kommunikationsnetze zum Ziel der Richtlinie. Überdies verweise Artikel 2 Satz 1 Buchstabe f der Richtlinie 2002/58/EG zur Bestimmung des Begriffs der Einwilligung auf die Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr. Diese verlange, dass die betroffene Person „ohne jeden Zweifel“, für den „konkreten Fall“ und „in Kenntnis der Sachlage“ ihre Einwilligung erteilt.

Für den vorliegenden Fall stelle sich daher die Frage, ob der Endverbraucher in Kenntnis der Sachlage seine Einwilligung zur Kontaktaufnahme durch das Telefon erteilt habe. Die Unternehmen seien jedoch als Dienstleister zu unbestimmt; auch ihre Warendienstleistungen seien in der Einwilligungsklausel nicht näher bezeichnet. Bei abgewandelten Einwilligungsklauseln fehle es ebenfalls an diesen Voraussetzungen. Dort könne der Endverbraucher zwar die als Sponsoren bezeichneten Unternehmen über einen Link auf zwei DIN A4 Seiten einsehen. Aufgrund der Unübersichtlichkeit der dargestellten Informationen auf der verlinkten Seite verneine der BGH jedoch die Voraussetzung „in Kenntnis der Sachlage“. Nach Ansicht der Bundesnetzagentur sei sogar bereits die reine Verlinkung darauf angelegt, dass sie vom Endverbraucher nicht zur Kenntnis genommen werde. Herr Auler trat dieser Ansicht jedoch unter Zugrundelegung des verständigen Endverbraucherbegriffes, wonach der Endverbraucher mit den digitalen Besonderheiten des Internets vertraut ist, entgegen. Das Verlinken stelle im Internet eine gängige Praxis dar, die durch ihre Weiterleitungsfunktion der Informationsbeschaffung diene. Zumindest optisch hervorgehobene Verlinkungen seien mit den aufgestellten Voraussetzungen vereinbar. Für den dargestellten Fall gelangte Herr Auler daher im Einklang mit dem BGH zu dem Ergebnis, dass dem Endverbraucher zwar durch die Verlinkung grundsätzlich die Möglichkeit der ausreichenden Informationsbeschaffung über die als Sponsoren bezeichneten Unternehmen eröffnet worden sei; die konkrete, unübersichtliche Darstellung der Unternehmen auf zwei DIN A4 Seiten jedoch der positiven Kenntnisnahme entgegengestanden habe.

 

Als letzten Punkt des Themenkomplexes „Vertriebsform Telefon“ beschäftigte sich Herr Auler mit der Frage der Nachweisbarkeit der Einwilligung durch den Endverbraucher. Regelmäßig negiere er später die Teilnahme an dem Gewinnspiel, da er sich rückwirkend übervorteilt und belästigt fühle - mit der Folge, dass der Telefonanruf durch den Werbenden eine nach § 7 Absatz 2 Nummer 2 UWG unzumutbare Belästigung darstelle. In der Folge treffe das anrufende werbungstreibende Unternehmen die Nachweispflicht, dass im Vorfeld ordnungsgemäß eine Einwilligung zur telefonischen Kontaktaufnahme eingeholt worden ist. An dieser Stelle führte der Referent die Doubleoptin-Entscheidung des BGH an (Urteil vom 10.02.2011, I ZR 164/09, Rn. 41 ff.). Dieser habe entschieden, dass auch ein elektronisch durchgeführtes Doubleoptin-Verfahren ein tatsächlich fehlendes Einverständnis von Endverbrauchern mit Werbeanrufen nicht ersetze. Obwohl nach Eingang der erbetenen Bestätigung angenommen werden könne, dass der Teilnahmeantrag an dem Gewinnspiel tatsächlich von der angegebenen E-Mail-Adresse stammt, stehe nicht fest, dass es sich bei der E-Mail-Adresse, unter der die Bestätigung versandt wurde, um die des Endverbrauchers handele. Neben missbräuchlichen Namensangaben in Belästigungs- und Schädigungsabsicht durch Dritte komme auch eine versehentliche Falscheingabe in Betracht. In jedem Falle bestehe bei Telefonwerbung kein notwendiger Zusammenhang zwischen der E-Mailadresse, unter der der Teilnahmeantrag abgesandt wurde, und der in ihm angegebenen Telefonnummer.

Vor diesem Hintergrund gebe es eine modifizierte Gewinnspielvariante, um Einwilligungen über Optins zu generieren. Die zweite Checkbox, die der Optin-Erklärung diene, enthalte in der abgewandelten Form präzisere Informationen zum Dienstleister und dem Werbezweck: Neben übersichtshalber nur zehn konkret benannten Unternehmen würden die Dienstleistungen zur Vermittlung von Strom-, Gas- und Energiesparprodukten angegeben. Überdies werde eine Widerrufsbelehrung angeführt. Es sei daher davon auszugehen, dass ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Endverbraucher seine Einwilligung ohne jeden Zweifel, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage im Einklang mit § 7 Absatz 2 Nummer 2 UWG erteile. Nichtsdestotrotz bleibe die Frage der Nachweisbarkeit der konkreten Einwilligungserteilung durch den betroffenen Endverbraucher bestehen. Zu diesem Zweck sei ein Code-Ident-Verfahren eingeführt worden, bei dem dem Endverbraucher ein Identifikationscode in Form einer SMS oder einer Sprachnachricht an die angegebene Rufnummer geschickt werde. Zur Vervollständigung des Teilnahmeantrags müsse dieser Code sodann an den Veranstalter des Gewinnspiels als Bestätigung gesendet werden.

Dieser Medienbruch durch die Versendung des für die Bestätigung erforderlichen Idenfikationscodes an die angegebene Rufnummer ermögliche eine Bejahung des notwendigen Zusammenhangs zwischen der Emaildresse und der angegebenen Telefonnummer. Dennoch negiere der Endverbraucher in der Praxis häufig die Teilnahme an dem Gewinnspiel. In Ermangelung technischer Dokumentationen solcher Code-Ident-Verfahren in Form von Datenbankprotokollen oder Protokollierungen der SMS und der Adressaten sei die Verteidigung auf den Vortrag beschränkt, wie Gewinnspiele aufgebaut sind sowie auf Hinweise betreffend den üblichen Verfahrensgang und generelle Verfahrenskontrollen der Datenbanken und IP-Adressen bei Code-Ident-Verfahren. Dies genüge den Gerichten jedoch nicht, die sich regelmäßig darauf beriefen, dass der Nachweis, ob im konkreten Fall wie dargelegt verfahren wurde, nicht erbracht worden sei. Überdies würden sie diesen Beweis in Ermangelung einer Dokumentation auch nicht erheben. Herr Auler hielt dieses Vorgehen beweisrechtlich für fragwürdig.

Er verwies auf einen möglichen Zusammenhang zwischen den aus Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten resultierenden zunehmenden Wettbewerbsverstößen mit der Erhöhung der Bußgeldbewährung auf bis zu 300.000 Euro. Nach anfänglichen Schwierigkeiten habe die dafür zuständige Behörde, die Bundesnetzagentur, zuletzt mehrfach hohe Einzelbußgelder gegen namhafte Unternehmen verhängt. Diese fußten auf § 20 Absatz 2 i. V. m. § 20 Absatz 1 Nummer 1 UWG. Herr Auler verwies beispielhaft auf das gegen den Energielieferant Energy2day GmbH verhängte Bußgeld in Höhe von 300.000 Euro aufgrund von rund 2600 Beschwerden wegen unerlaubter Werbeanrufe für Energielieferverträge. Gleiches gelte für den Energielieferanten E.ON Energie Deutschland GmbH, gegen den im Juni 2017 ein Bußgeld in Höhe von 180.000 Euro verhängt worden ist.

 

IV. Abschließend bleibe die Frage der haftungs- und wettbewerbsrechtlichen Verantwortlichkeit bei einem gestuften Vertriebsmodell zu klären. Zu diesem Zweck verwies Herr Auler auf § 8 Absatz 2 UWG, nach dem der Unternehmensinhaber für die Zuwiderhandlungen durch einen Mitarbeiter oder Beauftragten hafte.

Werbende würden als (Unter-)Vertriebspartner einem Handelsvertreter nach § 84 HGB vergleichbar im Geschäftsbereich des Energieversorgungsunternehmens tätig, sodass sie regelmäßig als „Beauftragte“ einzuordnen seien. Entscheidend sei nur, dass der (Unter-)Vertriebspartner derart in die betriebliche Organisation eingegliedert ist, dass der Unternehmensinhaber einen bestimmenden Einfluss auf seine Tätigkeit ausüben könne, während Letztere ihm zugutekomme. § 8 Absatz 2 UWG begründe damit eine weite Haftung des Unternehmensinhabers, der sich auf diese Weise nicht hinter dem abhängigen Tätigwerden anderer verstecken könne. Damit korrespondiere seine Verantwortlichkeit, da sein Geschäftsbereich durch das Tätigwerden des Dritten erweitert werde. Folglich treffe ein Energieversorgungsunternehmen die Pflicht zur Sicherstellung geeigneter Maßnahmen zur Beherrschung seines Risikobereiches. Es hafte unabhängig davon, ob es positive Kenntnis von den Rechtsverstößen hatte und ob diese seinem Willen entsprachen oder nicht.

Zur Veranschaulichung der Haftungsprobleme bei mehrstufigen, kaskadenförmig aufgebauten Vertriebsmodellen schilderte Herr Auler einen Fall: Ein Energieversorgungsunternehmen hat seine Vertriebskanäle Haustür- und Telefonvertrieb strikt getrennt. Während einige Vertriebspartner nur für den Haustürvertrieb zuständig sind, übernehmen andere den Telefonvertrieb. Sowohl mit Blick auf die Vertragsausgestaltung als auch die Organisation könnten und dürften diese Kanäle nicht vermischt werden. Dies gehe auf sachliche Gründe zurück: Einerseits erfordere jede Vertriebsform andere Marketingstrategien, andererseits begründeten sie divergierende Organisations- und Überwachungsanforderungen, Vertriebsmaterialien (beispielsweise Prospekte, die nur beim Haustürvertrieb erforderlich sind) sowie im Vorfeld unterschiedliche Schulungen. In der Folge hat das vorliegende Energieversorgungsunternehmen für jede Vertriebsform spezialisierte Vertriebspartner beauftragt. Der vertraglich festgelegte, nur für den Telefonvertrieb verantwortliche Vertriebspartner beauftragt einen Untervertriebspartner (a), der jedoch absprachewidrig einen weiteren Untervertriebspartner (b) für den Haustürvertrieb beauftragt. Letzterer lässt sich zahlreiche Wettbewerbsverstöße zu Schulden kommen. Fraglich sei, ob das Energieversorgungsunternehmen dennoch nach § 8 Absatz 2 UWG für diese Rechtsverstöße hafte.

Der Referent bejahte zunächst die Anwendbarkeit des § 8 Absatz 2 UWG auf solche kaskadenartigen Vertriebsketten. Obwohl der Untervertriebspartner (a) seinerseits als selbstständiges Unternehmen nach § 8 Absatz 2 UWG für das wettbewerbswidrige Verhalten des Untervertriebspartners (b) haftbar sei, müsse der Rechtsverstoß dennoch entlang der Vertriebskette dem nächsthöheren Energieversorgungsunternehmen zugerechnet werden. Dessen grundsätzliche Haftung nach § 8 Absatz 2 UWG komme daher in Betracht. Dem stehe auch die Unkenntnis des Energieversorgungsunternehmens von den Rechtsverstößen nicht entgegen, da es aufgrund der besonderen Verantwortungsstrukturen gerade für das Handeln nachgeordneter Vertriebspartner haften solle. Es sei jedoch höchst fraglich, ob der Vertriebspartner noch in dem ihm vertraglich übertragenen Geschäftsbereich „Telefonvertrieb“ tätig gewesen sei. Aufgrund der genannten Gründe sei der Haustürvertrieb grundsätzlich als anderer Vertriebskanal und damit als anderer Geschäftsbereich einzuordnen. Im Bereich des Markenrechts habe der BGH in seiner Partnerprogramm-Entscheidung (Urteil vom 07.10.2009 – I ZR 109/06) die Zurechnung nach § 14 Absatz 7 Markengesetz, der jedoch parallel zu § 8 Absatz 2 UWG verlaufe, ausnahmsweise verneint, wenn der Vertriebspartner den Rechtsverstoß in einem Geschäftsbereich begehe, den er neben dem vertraglich übertragenen Vertriebsbereich für andere, eigene Zwecke betreibt. Im vorliegenden Fall ließen sich dennoch zwei Argumente gegen eine solche Haftungsausnahme anbringen: Zum einen bestehe bei Vertriebsketten stets ein erhöhtes Missbrauchsrisiko, sodass damit korrespondierend auch ein erhöhtes Maß an Überwachung durch den Unternehmensinhaber zu fordern sei. Seine Haftung dürfe demnach nur in absoluten Ausnahmefällen verneint werden. Zum anderen profitiere das Energieversorgungsunternehmen im vorliegenden Fall von der Tätigkeit des Vertriebspartners, da dieser wenn auch nicht in dem ihm übertragenen Vertriebsbereich neue Kunden akquiriere. Seine Tätigkeit trage damit dennoch zum geschäftlichen Erfolg des Unternehmensinhabers bei. Der BGH ([Nichtannahme-]Beschl. vom 04.04.2012 – I ZR 103/11) habe überdies angeführt, dass es sich sowohl beim Telefon- als auch beim Haustürvertrieb um denselben Geschäftsbereich „Stromvertrieb“ handele. Dieser pauschalisierenden Ansicht trat der Referent jedoch entgegen, da sie keinen Raum für Ausnahmekonstellationen lasse, bei denen die Haftung des § 8 Absatz 2 UWG verneint werden könne.

 

V. Zum Abschluss seines Vortrags betonte Herr Auler die Vielseitigkeit der lauterkeitsrechtlichen Fallkonstellationen im Bereich des Energiemarktes. Da sich dieser noch immer im „Aufbruch“, hin zu einem vollständig liberalisierten Markt befinde, seien zahlreiche weitere spannende Entwicklungen zu erwarten. Überdies kündigte er eine zeitnahe Schwerpunktverlagerung der Vertriebsform aufgrund zunehmender Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Telefonvertriebs an. Der Referent bedankte sich für die Aufmerksamkeit und zitierte abschließend Berthold Brecht: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen – Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ Diesem Abschlusszitat entsprechend folgte eine angeregte Diskussion.

 

Wiss. Mit. Alexandra Wachtel

 

Veranstaltungsdetails

13.06.2018, 18:00 Uhr - 21:00 Uhr
Ort: Haus der Universität, Schadowplatz 14, 40212 Düsseldorf
Verantwortlichkeit: