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Werkstattgespräche: Die Besichtigung im Patentrecht – eine Bestandsaufnahme zwei Jahre nach Faxkarte

CIP Werkstattgespräche

Referent: VorsRiLG Dr. Thomas Kühnen
Düsseldorf

Von Wiss. Ass. Dr. Andreas Neef, LL.M.

Ein spezielles Problemfeld des Patentrechts war Thema bei den Werkstattgesprächen auf Schloß Mickeln: der Besichtigungsanspruch im Patentrecht. Nachdem wohl wegen des hochkarätigen Redners -es referierte Herr Dr. Kühnen, Vorsitzender Richter der 4. Zivil(Patent-)streitkammer am Landgericht Düsseldorf- der blaue Salon des Schlosses heillos zu überfüllen drohte und bis kurz vor Beginn des Vortrags der Raum bis in den letzten Winkel mit Stühlen ausgestattet worden war, ging es dann doch noch einigermaßen pünktlich los.

Zunächst wies Herr Dr. Kühnen darauf hin, daß Besichtigungsansprüche trotz ihrer lebhaften Beachtung im jüngeren Schrifttum in der Praxis selten eine Rolle spielen. So ist seit 2002 beim Landgericht Düsseldorf mit 8 derartigen Verfahren über mehr Besichtigungsansprüche entschieden worden als irgendwo sonst in Deutschland. Daraufhin wurde noch kurz auf die Änderung der Rechtslage seit dem Faxkarten-Urteil des I. Zivilsenats des BGH aus dem Jahre 2002 eingegangen, die nach nach ganz überwiegender Auffassung auch im Patentrecht gilt: während bis 2002 für den Anspruch auf Besichtigung aus § 809 BGB eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anspruchs in Bezug auf eine Sache gefordert wurde und Substanzeingriffe in die Sache bei Ausübung des Anspruchs auf Besichtigung nicht statthaft waren, gilt seit 2002 die Maßgabe, daß bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Bestehens eines Anspruchs, die im Falle eines in Kraft stehenden Patents in der Regel anzunehmen ist, ausreicht und daß Substanzeingriffe wie z.B. das Inbetriebnehmen einer Maschine zulässig sind, wenn dem nicht ein übergeordnetes Integritätsinteresse des Besitzers der Sache entgegensteht. Letzteres schließt insbesondere die völlige Zerstörung der Sache sowie unzumutbare Betriebsstillegungen aus.

Sodann kam Herr Dr. Kühnen auf die Möglichkeiten, Besichtigungsansprüche durchzusetzen, im Einzelnen zu sprechen. Ausgangspunkt der Betrachtung ist § 809 BGB, der einen allgemeinen materiell-rechtlichen Besichtigungsanspruch vorsieht, wenn der (Besichtigungs-) Anspruchsteller einen Anspruch in Ansehung einer Sache gegen deren Besitzer hat bzw. sich über das Bestehen eines solchen Anspruchs Gewißheit verschaffen will. Neben dem Anspruch aus § 809 BGB gibt es dann mit den Vorschriften der §§ 485 ZPO über die selbständige Beweissicherung einen weiteren, prozessual ausgestalteten Regelungskomplex, im Rahmen dessen die Besichtigung einer möglicherweise patentverletzenden Sache durch einen Sachverständigen möglich ist.
Für die Frage, welche Regelungsmaterie für die Begründung des Besichtigungs­rechts sinnvollerweise herangezogen werden sollte, ist zu unterscheiden zwischen einer gänzlich öffentlichen Verwirklichung der Patentmerkmale durch einen Dritten und der zumindest teilweise verborgenen Verwirklichung. Bei der öffentlichen Verwirklichung reichen die Vorschriften der §§ 485 ff. ZPO über die Beweissicherung für sich allein genommen bereits aus, das gewünschte Ziel -Beweissicherung ohne Sachverhaltsfeststellung- zu erreichen. Der Sachverhalt hat ja in der Öffentlichkeit stattgefunden und ist insoweit unstreitig; es stellt sich allein die Frage, ob die öffentlich vorgenommene Handlung den Verbotstatbeständen der §§ 9 ff. PatG unterfällt. Hinzuzuziehen ist ein vom Gericht, in der Regel auf Vorschlag der Parteien zu bestimmender Sachverständiger, dessen Gutachten im späteren Verletzungsprozeß als vollwertiges Gerichtsgutachten verwertet werden kann. Weitere Probleme ergeben sich insoweit nicht, insbesondere hat der Anspruchsgegner, da er selbst die in seinem Besitz befindliche Maschine öffentlich präsentiert hat, offensichtlich keinerlei Geheimhaltungsinteressen, die zu beachten es gälte. Daher kann das Sachverständigengutachten in diesem Fall auch beiden Parteien ausgehändigt und sodann ein Anhörungstermin festgesetzt werden. Schwieriger gestaltet sich die Lage bei zumindest teilweiser verborgener Ausführung der patentgeschützten Lehre. Hier ist das Ziel des Antragstellers nämlich neben der Beweissicherung auch, zunächst einmal den Sachverhaltzu ermitteln, der sich ja gerade nicht in Gänze in der Öffentlichkeit abgespielt hat. Dies läßt sich allein mit den Regeln der §§ 485 ff. ZPO nicht bewerkstelligen, zumal diese keinen Zwang gegen den Antragsgegner zulassen. Hier hat das Landgericht Düsseldorf einen gangbaren Weg damit entwickelt, daß neben dem Beweissicherungsverfahren eine einstweilige Verfügung erwirkt werden kann, die dem Antragsgegner aufgibt, die Inaugenscheinnahme und die Aufklärung des Sachverhalts zu dulden. Der Verfügungsanspruch ergibt sich dabei aus § 809 BGB. Neben dieser Schwierigkeit, die sich daraus ergibt, daß der Sachverhalt nicht zwangsläufig wie bei öffentlicher Verwirklichung unstreitig ist, hat der Antragsgegner aber auch berechtigte Geheimhaltungsinteressen, die es um so mehr zu berücksichtigen gilt, je weniger sicher von einer Patentverletzung auf der Grundlage dessen ausgegangen werden kann, was öffentlich geworden ist. Hierzu hat das Gericht, wie Herr Dr. Kühnen eingehend darstellte, ein sehr fein austariertes System entwickelt, das auf sämtlichen Ebenen klarstellt, wer welche Informationen bezüglich der angegriffenen Ausführungsform in welcher Form erhalten darf. So dürfen etwa bei der Besichtigung zwar die Anwälte des Antragstellers, nicht aber dieser selbst zugegen sein. Nach dem gleichen Prinzip wird auch im Hinblick auf die Frage verfahren, wer das Sachverständigengutachten ausgehändigt bekommt, ob die Anwälte des Antragstellers ihrem eigenen Mandanten gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet werden und wer bei Anhörungsterminen zugegen sein darf.

Nach einem eindrucksvollen Vortrag, der zum Ende hin die Vereinbarkeit des derzeitigen nationalen Rechts und der zugehörigen Rechtsprechung des Landgerichts Düsseldorf zu Besichtigungsansprüchen mit der EG-Richtlinie über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums („Enforcement“-Richtlinie) feststellte, ergab sich abschliessend noch eine lebhafte Diskussionsrunde, die neben dem Vortragsthema auch andere Aspekte der Rechtsprechung der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wie etwa die Praxis der Streitwertfestsetzung im Patentverlezungsverfahren beinhaltete.

Hinweis: Der Vortrag von Herrn Dr. Kühnen erscheint demnächst in der GRUR.

Anhang: <media 29842>Präsentation</media>

Veranstaltungsdetails

12.01.2005, 18:00 Uhr - 20:00 Uhr
Ort: Schloss Mickeln, Blauer Salon
Verantwortlichkeit: