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Werkstattgespräche: Reform der Gemeinschaftsmarken-Verordnung und aktuelle Entscheidungspraxis des HABM

CIP Werkstattgespräche

Referenten: RiBPatG Achim Bender, Mitglied der 3. Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (HABM), Alicante

 

von Sascha Vander, Wiss. Mit.

Der blaue Salon auf Schloss Mickeln war wieder einmal gut besucht, als Herr Achim Bender, seines Zeichens Richter am Bundespatentgericht und Mitglied der Beschwerdekammern des Harominisierungsamts für den Binnenmarkt (HABM) in Alicante, über die Reform der Gemeinschaftsmarken-Verordnung (GMV) und die aktuelle Entscheidungspraxis des Harmonisierungsamts referierte. Die Zuhörerschaft durfte sich auf einen spannenden und sehr anschaulichen Vortrag freuen, der insbesondere auf Grund der persönlichen Tätigkeit des Referenten beim HABM interessante Einblicke hinter die Kulissen des Amts hervorbrachte.

I. Bedeutung, Struktur und Arbeit des Harmonisierungsamts

 Zunächst verdeutlichte Herr Bender die bereits nach gut 6 Jahren Tätigkeit des Amtes bestehende, hohe Relevanz des HABM für die Rechtspraxis. Bis Ende des Jahres 2003 sind schon über 350.000 Gemeinschaftsmarken angemeldet worden, von denen gut 200.000 eingetragen wurden. Neben die Gemeinschaftsmarke ist seit Anfang des Jahres 2003 das Gemeinschaftsgeschmackmuster getreten, von denen bereits 37.000 eingetragen worden sind. Erwähnenswert ist der Umstand, dass von den knapp 67.000 Widersprüchen gegen Markenanmeldungen über die Hälfte ohne eine gerichtliche Entscheidung erledigt werden konnten. Bislang wurden 270 Klagen gegen die Beschwerdekammern des HABM vor den EuG gebracht, von denen bislang erst ein gutes Drittel erledigt wurde. Gegen 29 Entscheidungen wurden Rechtsmittel zum EuGH eingelegt. In Bezug auf sechs Fälle liegen nunmehr auf europäischer Ebene höchstrichterliche Entscheidungen vor.

Das Harmonisierungsamt ist regelmäßig Umstrukturierungsmaßnahmen unterworfen, die den Referenten eine Parallele zu den Werkstattgesprächen ziehen ließ. Auch am Harmonisierungsamt herrsche regelmäßig eine „Werkstattatmosphäre“. Aktuell wurde eine größere Strukturierungsmaßnahme durchgeführt, die zur Bildung einer großen Markenabteilung ohne Zergliederung in einzelne Fachbereiche geführt habe. Neben der Markenabteilung bestehen eine Finanz-, eine Technik-, eine Geschmacksmuster sowie eine Rechtsabteilung. Daneben bestehen die Beschwerdekammern.

 Herr Bender legte einen Fokus auf die Sprache(n) des Amtes. Offizielle Amtssprachen des Amtes sind Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch. Eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten muss somit auf die Muttersprache verzichten. Ein gewisser Richtungswechsel ist jedoch seit der Kik-Entscheidung des EuGH, Urteil vom 9.9.2003, C-361/01 P, zu verzeichnen. In dieser Entscheidung hat der EuGH das Prinzip des eingeschränktes Sprachregimes des HABM zwar grundsätzlich als sachgerecht angesehen, in einseitigen Verfahren sei allerdings sicherzustellen, dass alle Entscheidungen und Verfahrenshandlungen in der Sprache ergehen, in der die Anmeldung eingereicht worden sei. Herr Bender prognostizierte insbesondere in Antbetracht der Erweiterung der Gemeinschaft einen erheblichen Mehraufwand für Übersetzungstätigkeiten innerhalb des Amtes.

II. Änderungen der Gemeinschaftsmarken-Verordnung
In einem zweiten Hauptteil seines Vortrages kam Herr Bender auf die aktuellen (bevorstehenden) Änderungen der Gemeinschaftsmarken-Verordnung zu sprechen. Die Änderungen beruhen hauptsächlich auf einem Vorschlag der Kommission vom 27.12.2002 (http://europa.eu.int/eur-lex/de/com/pdf/2002/com2002_0767de01.pdf), der nach mehreren Stellungnahmen und der politischen Einigung des Rates am 9.02.2004 formell durch diesen angenommen wurde. Die Verfahrensstationen sowie der aktuelle Stand sind abrufbar unter: http://europa.eu.int/prelex/detail_dossier_real.cfm?CL=de&DosId=179432

1. Wesentliche Änderungen der GMV durch den Änderungsvorschlag:
Erweiterung des Kreises der Anmeldeberechtigten (Art. 5 GMV)
Die bisherigen Beschränkungen der Anmeldeberechtigten werden aufgehoben. Jeder soll eine Gemeinschaftsmarke anmelden können.

Aufhebung der amtlichen Recherche (Art. 39 GMV)
Die bisherige vorgeschriebene amtliche Recherche, die bislang eine Einholung von Recherchen der hierzu bereiten Mitgliedstaaten umfasst, wird aufgehoben. Eine Recherche ist nur noch für Gemeinschaftsmarken vorgesehen. Auf Antrag und gegen Gebühr werden auch Recherchen der Mitgliedstaaten herangezogen.

Teilung einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung/Teilung einer Gemeinschaftsmarkeneintragung (Art. 44a und Art. 48a GMV)
Die Teilung einer Anmeldung bzw. Eintragung einer Marke war bislang nicht vorgesehen. Es besteht lediglich die Möglichkeit einer Teilübertragung gemäß Art. 17 Abs. 1 GMV. Dieses Defizit soll durch die neuen Vorschriften behoben werden.

Verfahrensverlängerung
Art. 78a GMV sieht die gebührenpflichtige Möglichkeit einer Verfahrensverlängerung bei Fristversäumnissen vor.

Einen guten Überblick über die Änderungen der GMV nach dem Kommissionsvorschlag bietet Berlit, GRUR 2003, 746.

2. Weitere Änderungen der GMV:
Erstreckung der Gemeinschaftsmarke auf die Beitrittsstaaten (Art. 142a GMV)
Grundsätzlich wird der Geltungsbereich bereits eingetragener Gemeinschaftsmarken auf die Beitrittsgebiete erstreckt. Dies gilt ausnahmsweise nicht, soweit prioritätsältere Marken bzw. Rechte in den Beitrittsgebieten bestehen. Die Regelung des Art. 142a GMV tritt am 1. Mai 2004 in Kraft.

Anschluss der Gemeinschaftsmarke an das Madrider Markensystem
Voraussichtlich zum 1.10.2004 erfolgt der Anschluss der Gemeinschaftsmarke an das Madrider Markensystem. Auf diese Weise wird die internationale Registrierung vereinfacht.

III. Rechtsprechung
Der dritte und umfangreichste Teil des Vortrages eröffnete einen umfassenden Überblick über die aktuelle Entscheidungspraxis des EuGH, des EuG sowie der Beschwerdekammern des HABM. Herr Bender stellte die maßgeblichen Entscheidungen der letzten Zeit zu den Bereichen Wortmarken, Farbmarken und Farbzusammenstellungen, Hörmarken, Geschmacksmarken, Bewegungsmarken, relativen Schutzversagungsgründen sowie den Verfahrensprinzipien dar und ergänzte wichtige Leitentscheidungen durch eine Vielzahl von konkreten Fallbeispielen, die vielfach die Abgrenzungsschwierigkeiten der Gerichte bzw. der Beschwerdekammern verdeutlichten. Auf Grund der Vielzahl der angesprochenen Entscheidungen sei auf die Darstellung in der PowerPoint-Präsentation des Referenten verwiesen, die das Zentrum an dieser Stelle zur Verfügung stellen darf:

Vorlesungsmaterialien
<media 29853>Alle Folien der beitragsbegleitenden Präsentation</media>

Details

09.03.2004, 18:00 Uhr - 20:00 Uhr
Ort: Schloss Mickeln, Blauer Salon
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