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Werkstattgespräch: Die Reformvorschläge der Kommission zum nationalen Markenrecht und zur Europäischen Marke

CIP Werkstattgespräche

Die Reformvorschläge der Kommission zum nationalen Markenrecht und zur Europäischen Marke

Referent: VorsRiBPatG Achim Bender, München

I.

Am Mittwoch, den 08. Mai 2013 referierte Herr VorsRiBPatG Achim Bender im Rahmen der Werkstattgespräche des Zentrums für Gewerblichen Rechtsschutz auf Schloß Mickeln zum Thema "Die Reformvorschläge der Kommission zum nationalen Markenrecht und zur Europäischen Marke: Das Ende des deutschen Markenrechts?" Der Vortrag befasste sich mit dem wesentlichen Inhalt der Reformvorschläge. Zudem wurde die Frage nach der Zukunft der nationalen Markensysteme aufgeworfen. Diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund der zunehmend fehlenden wirtschaftlichen Attraktivität der nationalen Marke im Vergleich zur Europäischen Marke, sowie eines schwindenden eigenen Spielraums angesichts harmonisierter Prüfungskriterien, in deren Zuge auch bei nationalen Marken alle Sprachen der Mitgliedsstaaten berücksichtigt werden müssen.

 

II.

Die Europäische Kommission hat am 27. März 2013 ihr Reformpaket zur Modernisierung der Europäischen Marke veröffentlicht. Nach der Richtlinie 89/104/EWG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (MarkenRL), sowie der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates v. 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke (GMV) sollen nunmehr die lange erwarteten und jetzt mit einer Verspätung von über einem Jahr veröffentlichten Vorschläge den Markenschutz an die aktuellen Verhältnisse anpassen.

Die Zielsetzung liegt dabei zum einen in einer stärkeren Straffung und Harmonisierung der Eintragungsverfahren. Zum anderen soll eine Modernisierung und Verbesserung der bestehenden Vorschriften und eine Stärkung der Rechtssicherheit erfolgen. Schließlich will die Kommission die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Ämtern und der EU-"Agentur" für Marken (wie das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt, HABM, künftig heißen soll) erleichtern.

Zur Umsetzung dieser drei großen Zielsetzungen soll die Rechtsangleichung teilweise ausgeweitet werden und eine stärkere Annäherung des nationalen Markenrechts an das Gemeinschaftsmarkensystem herbeigeführt werden. Dies schließt eine Angleichung der wichtigsten nationalen Verfahrensvorschriften, sowie einer Reihe materiellrechtlicher Aspekte an die entsprechenden Bestimmungen der GMV ein.

Dabei wurden teilweise Leitsätze aus EuGH-Entscheidungen wortwörtlich in den Regelungsvorschlag übernommen. Nach Herrn Benders unwidersprochener Einschätzung ist das Markenrecht in Puncto europäischer Rechtsangleichung das Vorbild unter den Gewerblichen Schutzrechten.

 

III.

Herr Bender stellte im Folgenden die wichtigsten Änderungen in den Reformvorschlägen der Kommission im Einzelnen dar, wobei mit gemeinsamen Änderungen von MarkenRL und GMV (die nach den Vorschlägen der Kommission künftig EMV heißt) zu beginnen war.

So ist z.B. in Bezug auf die Definition der Marke (Art. 3 MarkenRL-E, Art. 4 EMV-E) zu beachten, dass "Farben als solche", ebenso wie "Klangbilder" künftig erfasst sein sollen. Damit wird der EuGH-Rechtsprechung zum Begriff der "graphischen Darstellbarkeit", etwa von Hörmarken Rechnung getragen. Dementsprechend genüge für Hörmarken eine digitale Aufzeichnung als MP3-Datei, so Bender. Dabei sei die Formulierung "[...] in einer Weise dargestellt zu werden, dass die zuständigen Behörden und das Publikum den Gegenstand des dem Markeninhaber gewährten Schutzes eindeutig bestimmen können" durchaus nicht unelegant und zeige die für künftige Entwicklungen nötige Offenheit.

Ein relatives Eintragungshindernis besteht zukünftig auch für Kennzeichen, wenn die Marke mit einer älteren, außerhalb der Union geschützten Marke verwechselt werden kann, sofern die Marke zum Zeitpunkt der Anmeldung nach wie vor ernsthaft benutzt wurde (Art. 5 Abs. 3c MarkenRL-E, Art. 8 Abs. 3b EMV-E). Herr Bender betonte allerdings, dass dieses Eintragungshindernis nur bei Bösgläubigkeit des Anmelders greife. Diese spezielle Missbrauchsproblematik werde damit statt im Nichtigkeitsverfahren in das Widerspruchsverfahren vorverlagert.

Auch der Schonfristablauf und das Fristende der Fünf-Jahres-Frist für den Benutzungszeitraum werden vorverlegt. Es ist dann nicht mehr auf den Tag der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen jüngeren Marke abzustellen, sondern auf deren Anmelde- bzw. Prioritätstag (Art. 46 Abs. 1 MarkenRL-E, Art. 42 Abs. 2 EMV-E). Herr Bender erläuterte diese Regelung als eine Reaktion auf die schnellere Verfügbarkeit von Informationen über Markenanmeldungen im Internet.

Vertiefte Beachtung fanden im Folgenden Art. 40 MarkenRL-E und Art. 28 EMV-E. Mit diesen Regelungen setzt die Kommission das IP TRANSLATOR Urteil des EuGH (EuGH Urt. v. 19.06.2012, C-307-10) um. Die MarkenRL-E ist danach so auszulegen, dass die Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, vom Anmelder so klar und eindeutig anzugeben sind, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den Umfang des Markenschutzes bestimmen können. Andernfalls weist das Amt im Interesse der Transparenz und Rechtssicherheit die Anmeldung zurück. Art. 40 Abs. 4 S. 2 MarkenRL-E zielt auf eine gemeinsame Übersicht über die jeweiligen Verwaltungspraktiken der Ämter in Bezug auf die Klassifizierung. Höchst problematisch sieht Herr Bender in diesem Zusammenhang den nur in der EMV-E vorgeschlagenen Art. 28 Abs. 8, wodurch die Kommission die Argumentation des EuG aus seinem Babilu/BABIDU-Urteil (EuG Urt. v. 31.01.2013, T-66/11) übernehme. Die Inhaber von vor dem 22.06.2012 angemeldeten europäischen Marken, die lediglich im Zusammenhang mit einer gesamten Klasse der Nizzaer Klassifikation eingetragen sind, dürften erklären, dass sie am Anmeldetag beabsichtigten, Schutz im Zusammenhang mit Waren oder Dienstleistungen zu beantragen, die über den von der wörtlichen Bedeutung der Klassenüberschrift erfassten Bereich hinausgehen, sofern die so bezeichneten Waren oder Dienstleistungen im alphabetischen Verzeichnis für diese Klasse in der zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden Fassung der Nizzaer Klassifikation aufgeführt sind. Dies führt nach Einschätzung des Referenten zu einer nachträglichen Erweiterung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses und sei daher nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Bestimmtheit des Registers zu beanstanden.

Die Reformvorschläge enthalten auch eine neue Gebührenstruktur (Art. 44 MarkenRL-E), mit der eine Angleichung der Gebührenstruktur bei nationalen und Europäischen Marken erreicht werden soll. Für die Eintragung einer Marke und deren Verlängerung soll danach eine zusätzliche (Klassen-) Gebühr für jede Klasse von Waren und Dienstleistungen über die erste Klasse hinaus verlangt werden, die zu der Erstgebühr für die Anmeldung und Eintragung hinzukommen soll. Ziel der neuen Gebührenstruktur ist es einer unnötigen Belastung der Prüfungsverfahren, mehr Widersprüchen und einer Überfüllung der Register entgegen zu wirken.

Schließlich beinhalten die Reformvorschläge die Rechtsgrundlage (Art. 52, 53 MarkenRL-E, Art. 123c EMV-E) für eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen der künftigen Agentur und den Markenämtern. So soll die Entwicklung gemeinsamer Instrumente und Arbeitsmittel gefördert werden, worin nach Herrn Benders Einschätzung mangels inhaltlichen Einflusses indes auch eine Gefahr für die nationalen Ämter bestehen könne.

 

IV.

Nach diesen gemeinsamen Änderungen von MarkenRL und GMV widmete sich Herr Bender den ausschließlich die MarkenRL betreffenden Änderungen, die sowohl die weitere Angleichung des materiellen Rechts, als auch des Verfahrensrechts umfassen.

Eine besonders einschneidende Änderung geht mit dem vorgeschlagenen einheitlichen Prüfungskriterium für absolute Schutzversagungsgründe einher. Nach Art. 4 Abs. 2 MarkenRL-E gelten die absoluten Eintragungshindernisse aus Art. 4 Abs. 1 MarkenRL-E auch, wenn sie bloß in einem anderen Mitgliedsstaat als dem Mitgliedsstaat, in dem die Marke zur Eintragung angemeldet wurde, greifen würden. Gleiches gilt, wenn das absolute Eintragungshindernis nur dadurch entstanden ist, dass eine in einer Fremdsprache ausgedrückte Marke in eine Amtssprache der Mitgliedsstaaten übersetzt oder transkribiert wurde. Herr Bender betonte, dass durch diese Regelung die Prüfungskriterien für nationale Marken vollumfassend der Europäischen Marke angeglichen werden. Die bewährten Grundsätze des EuGH-Urteils MATRATZEN markt CONCORD/Matratzen (EuGH Urt. v. 09.03.2006, C-421/04) wären damit nicht weiter gültig. Zur Illustration bildete Herr Bender das Beispiel eines im Finnischen beschreibenden Begriffs, der künftig in Deutschland keine Schutzfähigkeit mehr genießt, obwohl er der großen Mehrheit der des Finnischen nicht mächtigen Bevölkerung in Deutschland nicht geläufig ist. Der Referent machte insoweit das Spannungsverhältnis deutlich. Einerseits werden bedauerlicherweise viele nationale Marken wegfallen. Andererseits ist nur auf diesem Wege die umfängliche Verwirklichung des Binnenmarktes möglich. In jedem Falle schrumpfe die Existenzberechtigung nationaler Marken erheblich.

Weiter führte Herr Bender aus, dass Bösgläubigkeit nunmehr als obligatorischer, und nicht mehr wie bisher fakultativer, Nichtigkeitsgrund ausgestaltet sei (Art. 4 Abs. 3 MarkenRL-E). Jeder Mitgliedsstaat kann überdies vorsehen, dass eine solche Marke von der Eintragung ausgeschlossen sein soll. Davon hat Deutschland Gebrauch gemacht (§ 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG).

In verfahrensrechtlicher Sicht betonte Herr Bender, dass die Prüfung der Eintragungsfähigkeit einer Marke künftig von Amts wegen auf absolute Eintragungshindernisse beschränkt sei (Art. 41 MarkenRL-E). Einige nationale Ämter praktizieren bisher noch eine Prüfung von relativen Eintragungshindernissen von Amts wegen.

Erwähnenswert ist des Weiteren die Einführung der sog. Bemerkungen Dritter, die in Alicante bereits genutzt wird und nun auch im deutschen Recht für die nationale Marke einzuführen wäre. Dadurch sollen ungerechtfertigte Markeneintragungen verhindert werden können, ohne dass hinterher ein aufwendiges Nichtigkeitsverfahren eingeleitet werden muss. Art. 45 MarkenRL-E soll künftig den Standard der Widerspruchsverfahren vereinheitlichen. Diejenigen Mitgliedsstaaten, die derzeit noch kein Verfahren vor den Ämtern vorsehen, müssen ihr gerichtliches Verfahren insoweit aufgeben und ein Widerspruchsverfahren vor den Ämtern einführen. Für Deutschland stelle sich die Aufgabe, das Widerspruchsverfahren zu verkürzen und ein effizientes und zügiges Verfahren zu gewährleisten, so Bender.

In Bezug auf das Widerspruchsverfahren ist für die Einrede der Nichtbenutzung Art. 46 Abs. 1 MarkenRL-E zu beachten. Herr Bender betonte die Konsequenz für das deutsche Recht, wonach künftig die sog. wandernde Benutzungsfrist (§ 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG) nicht mehr richtlinienkonform sei.

 

V.

Abschließend kam der Referent auf die ausschließlich die GMV (EMV) betreffenden Änderungen zu sprechen. Neben der bereits angeklungenen Anpassung der Terminologie (Art. 1, 2 EMV-E) soll eine Straffung des Verfahrens erreicht werden. Nach Art. 25 EMV-E wird die Anmeldung der Europäischen Marke bei der Agentur eingereicht. Die Übermittlung über nationale Markenämter, die auch bisher praktisch nicht mehr in Anspruch genommen wurde, entfällt. Der Anmeldetag (Art. 27 EMV-E) ist dabei der Tag, an dem die relevanten Unterlagen vom Anmelder bei der Agentur eingereicht worden sind, sofern die Anmeldegebühr entrichtet wird, für die der Zahlungsauftrag spätestens an diesem Tage gegeben werden muss. Herr Bender betonte, dass dadurch die (geringe) Missbrauchsgefahr gebannt werde, weil künftig nicht mehr quasi "Probeanmeldungen" eingereicht werden könnten und erst nach einem Monat die Anmeldegebühr entrichtet werde.

Eine weitere für die Praxis relevante Regelung findet sich in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1a EMV-E, wonach dort nun nicht mehr von "Rechtsanwälten", sondern von "Rechtsanwendern" die Rede ist. Der Referent äußerte hier auch mit Blick auf andere Sprachfassungen ("any legal practicioner" und "tout avocat") die Vermutung, dass es hier zu einer Rechtsstatusänderung komme. So könnten künftig auch Patentanwälte erfasst sein, für die dann das aufwendige Zulassungsverfahren bei der Agentur entfiele.

Ein neues Rechtsinstitut wird mit der sog. Europäischen Gewährleistungsmarke (Art. 74b - 74k EMV-E) eingeführt. Dies ist eine europäische Marke, die bei der Anmeldung als solche bezeichnet wird und dazu dienen kann, Waren und Dienstleistungen, die der Inhaber der Marke hinsichtlich der geografischen Herkunft, des Materials, der Art und Weise der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen, der Qualität, Genauigkeit oder anderer Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen gewährleistet, von solchen zu unterscheiden, für die keine derartige Gewährleistung besteht. Inhaber können nur juristische Personen sein. Herr Bender betonte, dass mit diesem im deutschen Recht bisher unbekannten Rechtsinstitut auch Prüfzeichen eintragungsfähig werden. Entsprechende deutsche Nutzer von Gewährleistungszeichen, oder -siegeln müssten sich zeitnah überlegen, sich zu einem Verband zusammen zu schließen, um möglichst bald nach Inkrafttreten der neuen EMV den neuen Gewährleistungsmarkenschutz in Anspruch nehmen zu können.

Abschließend lenkte der Referent den Blick auf Art. 135, 136 EMV-E und damit auf die Rolle der Beschwerdekammern. Danach könne eine Wiederwahl der Vorsitzenden und Mitglieder der Beschwerdekammern "nach einer positiven Bewertung ihrer Leistung durch den Verwaltungsrat und bei Befürwortung durch den Präsidenten der Beschwerdekammern" erfolgen. Vor diesem Hintergrund sei es nicht ohne Ironie, dass Art. 136 EMV-E die Überschrift "Unabhängigkeit der Mitglieder der Beschwerdekammern" trage. Nach Einschätzung von Herrn Bender wird damit gerade das Ende der Unabhängigkeit der Beschwerdekammermitglieder eingeführt. Das Befürwortungserfordernis des Präsidenten sei daher höchst problematisch.

 

VI.

Die Vortragsveranstaltung endete mit einer intensiven Diskussion der zahlreich erschienenen Teilnehmer aus Wissenschaft und Praxis. Insbesondere das Spannungsverhältnis zwischen der schwindenden Bedeutung des nationalen Markenrechts einerseits und dem Bedürfnis nach Harmonisierung und Realisierung des Binnenmarktes andererseits, sowie der Sinn und Zweck der neuen europäischen Gewährleistungsmarke wurden dabei nochmals aufgegriffen und vertieft. Das nächste Werkstattgespräch findet statt am Mittwoch, 12. Juni 2013, 18.00 Uhr s.t., blauer Salon, Schloß Mickeln. Herr RA Dr. Anton Horn (Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf) referiert dann zu einem patentrechtlichen Thema.

 

Die Ausführungen in diesem Bericht sind dem Vortrag des Referenten auf Schloß Mickeln, sowie ergänzend dem Aufsatz Bender, MarkenR 2013, 129 ff. entnommen.

Wiss. Mit. Daniel Kenji Kaneko

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08.05.2013, 18:00 Uhr - 20:00 Uhr
Zentrum für Gewerblichen Rechtsschutz, im Rahmen der DLS
Ort: Schloss Mickeln, Blauer Salon
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