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Werkstattgespräche: Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit von Handelsplattformen und anderen Mittlern im Internet

CIP Werkstattgespräche

Referent: Dr. Kai Schmidt-Hern, LL.M.,  Rechtsanwalt, Lubberger Lehment, Berlin  

"Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit von Handelsplattformen und anderen Mittlern im Internet - neue Entwicklungen und Ausblick"

 

Wiss. Mit. Mathias Schneider

Zahlreiche Zuhörer hatten sich zu den letzten Werkstattgesprächen im Sommersemester auf Schloss Mickeln eingefunden. Prof. Dr. Busche konnte Herrn Dr. Kai Schmidt-Hern, LL.M. willkommen heißen, Rechtsanwalt bei Lubberger Lehment, Berlin. Thema des Vortrags war „Die zivilrechtliche Haftung von Handelsplattformen und anderen Mittlern im Internet – Neue Entwicklungen und Ausblick“, wobei der Referent vor allem die Handelsplattformen und die daraus resultierenden Probleme in der anwaltlichen Praxis ansprach.

Herr Dr. Schmidt-Hern führte in die Problematik der Haftung von Handelsplattformen anhand eines fiktiven Falles ein. Konkret ging es um eine Parfümsorte, die über eBay – das Paradebeispiel der Internethandelsplattformen – zum Verkauf angeboten wird, aber in dieser Packungsgröße vom Hersteller überhaupt nicht vertrieben wird. In solchen Fällen, so der Referent, werde der Provider einer Handelsplattform oftmals zum strategisch geeignetsten Anspruchsgegner, sofern mehrere Anbieter ein solches Produkt darüber verkaufen.

Das Haftungssystem beruhe maßgeblich auf den „Internetversteigerung I und II“-Entscheidungen des BGH. Danach muss der Betreiber einer Handelsplattform immer dann, wenn er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Markenverletzungen kommt. Im Folgenden ging Schmidt-Hern auf das Urteil „Jugendgefährdende Medien bei eBay“ ein, bei dem der BGH das Haftungssystem auf Wettbewerbsverstöße wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten erweitert hat. Für Unterlassungsansprüche sei das System jedenfalls gleich. Die wohl problematischste und bislang ungelöste Frage liege darin, ob für einen Unterlassungsanspruch der Erstverstoß ausreicht oder zumindest die konkrete Gefahr eines Zweitverstoßes vorliegen muss. Für letzteres spreche beispielsweise, dass der Provider sich mit dem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung (Erstverstoß) schon einem umfassenden Unterlassungsanspruch ausgesetzt sehe, ohne eine eigene Reaktionsmöglichkeit gehabt zu haben.

Im Folgenden wurden einige besondere Fragestellungen und diverse Begrifflichkeiten näher untersucht. Als erstes widmete sich der Referent den Anforderungen an einen „Hinweis auf klare Rechtsverletzung“. Vom BGH sei dieser Begriff nicht ausdefiniert worden. Schwierig werde aber meist nur der Nachweis, dass der Verletzer im geschäftlichen Verkehr gehandelt hat. Im Gegensatz zu einer reinen Verletzungsbehauptung reiche im Ergebnis letztlich die Plausibelmachung einer Rechtsverletzung aus. Dies sei Ausfluss des Wissensvorsprungs der Rechteinhaber einerseits und der vertraglichen Pflichten des Providers gegenüber seinen Kunden andererseits.

Gerade die Vorsorge, also die Verhinderung weiterer Rechtsverletzungen, stelle für die Provider in der Regel die größte Schwierigkeit dar. Für die Bekämpfung solch künftiger Rechtsverletzungen benötige der Provider im Besonderen objektive und gut recherchierbare Merkmale. Herr Dr. Schmidt-Hern widmete sich hierzu einzelnen Argumenten der Betreiber, die darauf gerichtet sind, diese Vorsorgepflichten einzudämmen. Dazu zog der Referent noch einmal die vielfältige Instanzrechtsprechung heran. Festzustellen sei, dass den Providern nur ein gewisses Maß an Überprüfungen zuzumuten ist. Es ergebe sich praktisch aus der Nennung der recherchierbaren Merkmale und der Verwendung von Suchsystemen. Ferner liege die bereits erwähnte Problematik, ob Verletzer im geschäftlichen Verkehr handeln, für jeden Fall im Beurteilungsspielraum des Providers. Dies wurde anhand der „Kinderstühle/Stokke“-Entscheidung des OLG Hamburg vertieft. Der Referent stellte dazu die in der Praxis übliche Antragsfassung vor. Schließlich sei auch einer Subsidiarität der Provider-Haftung in Anbetracht der europäischen Rechtsgrundlagen entschieden entgegenzutreten.

Im Anschluss ging Herr Dr. Schmidt-Hern noch auf andere Mittler ein. Hier stand die Verantwortlichkeit von Access-Providern, Usenet und Google im Vordergrund. Zuletzt wagte der Referent noch einen kurzen Ausblick, setzte sich für Klarstellungen der Anforderungen zum Haftungssystem sowie eine Weiterentwicklung des Verkehrspflichten-Gedankens ein. Darüber hinaus wurde ein kritischer Blick auf die wenigen Gesetzgebungsinitiativen geworfen. Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene werde sich hier jedoch in absehbarer Zeit nichts tun.

Es folgte eine lebhafte und intensive Diskussion, in der noch einmal einige Aspekte des Vortrags aus praktischer Sicht vertieft wurden. Zur Sprache kamen insbesondere auch die neuen dogmatischen Ansätze des BGH in seiner jüngsten „Halzband“-Entscheidung. Sie wurden den im Vortrag vorgestellten Modellen der bewährten Störerhaftung gegenübergestellt. In Anbetracht der sommerlichen Temperaturen fand der Abend diesmal ausnahmsweise nicht im Schlosskeller seinen Ausklang, sondern im Garten von Schloss Mickeln.

Anhang: <media 29816>Mickeln Hern</media>

Details

24.06.2009, 18:00 Uhr - 20:00 Uhr
Ort: Schloss Mickeln, Blauer Salon
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