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Werkstattgespräch: Mediation im Beschwerdeverfahren des EUIPO

Werkstattgespräche CIP

Werkstattgespräch: 21. November 2018, 18 Uhr, Haus der Universität

 

Mediation im Beschwerdeverfahren des EUIPO

 

Referent: Dr. André Pohlmann LL.M. (UEA) – European Union Intellectual Property Office (EUIPO)

 

Zum 104. Werkstattgespräch im Haus der Universität referierte am 22. November 2018 Herr Dr. André Pohlmann LL.M. (UEA) zu dem Thema „Mediation im Beschwerdeverfahren des EUIPO“.

Nach der Begrüßung leitete der Referent das Thema der Mediation mit einem Beispiel ein. Er stelle das Bild einer Familie in den Raum, die sich über ihre Pläne für den nächsten Urlaub unterhält und bei der jedes Mitglied seine eigene Vorstellung von dem erwünschten, nächsten Reiseziel hat. Dies sei ein Beispiel für ein Problem, bei dem es schwierig sei, eine alle zufriedenstellende Lösung zu finden, jedoch ist das Auffinden einer solchen Lösung unerlässlich. Ziel einer Mediation sei es nun, in einer solcher Situation zwischen den Parteien zu vermitteln. Um die Wichtigkeit von Einigungen zu unterstreichen, stellte der Referent eine Statistik vor, nach der aus den 18.000 jährlichen Widerspruchsverfahren des EUIPO etwa 1/3 durch eine Entscheidung des Amtes beendet werden und etwa 2/3 ohne eine Entscheidung. In diesen gebe es dann meist eine außeramtliche Vereinbarung. So stellte der Referent heraus, dass es nicht immer einer Entscheidung durch einen Dritten bedarf.

Im Folgenden stellte der Referent kurz den Aufbau seines Vortrages vor, der nach einer Definition der Mediation und einer Übersicht über die Vorteile einer Mediation, sich schwerpunktmäßig auf die Mediation vor den Beschwerdekammern des EUIPO richten solle. Dabei solle geklärt werden, wann sich ein Fall für die Mediation eignet und wie die Rollenverteilung innerhalb der Mediation ist. Nachdem er das übliche Verfahren einer Mediation am EUIPO vorgestellt haben würde, werde zum Schluss noch die Zukunft des Dienstes erläutert werden.  

Mediation wurde von dem Referenten als strukturierte Verhandlung mittels eines unbeteiligten und unparteiischen Dritten definiert. Dabei seien drei wesentliche Prinzipen zu beachten. Die Vertraulichkeit als erstes Prinzip bedeute, dass das Verfahren nicht öffentlich sei und dass auch Kenntnisse aus dem Verfahren nicht ohne Zustimmung der Parteien veröffentlicht würden. Insbesondere würde der Mediator aber auch Informationen, die er aus den privaten Gesprächen mit einer Partei erhält, nicht ohne Zustimmung dieser Partei mit der anderen Partei teilen.

Das zweite Prinzip sei die Freiwilligkeit. Die beiden Parteien würden nicht an einen gemeinsamen Tisch gezwungen, sondern das Mediationsverfahren würde nur eingeleitet werden, wenn sich beide Parteien hiermit einverstanden erklärten. Drittes Prinzip und einer der wesentlichen Vorteile des Verfahrens sei auch die Flexibilität. So seien sowohl Zeit, Ort, wie auch genaue Ausgestaltung der Mediation nicht festgeschrieben. Vielmehr gehe es darum, diese an die Bedürfnisse der Parteien anzupassen. Als Orte biete das Amt dabei sowohl das Amt in Alicante (kostenlos), wie auch das Büro in Brüssel an (750 € Beteiligung). Der Mediator spreche dabei als unparteiischer Dritter keine Urteile, die die Vergangenheit ordnen, sondern er richte seine Bemühungen um eine gemeinsame Lösung in Richtung Zukunft aus. Dabei seien zwei Regeln besonders wichtig. Zum einen müsse man die andere Partei ausreden lassen, zum anderen dürfe man die andere Partei nicht persönlich angreifen. Die Erfahrung zeige, dass hier ein Mediator sehr gut Unterstützung leisten könne.

Einen weiteren Vorteil der Mediation erklärte der Referent am Symbol des Eisbergs. Der Richter sehe immer nur den Teil des Eisbergs, der sich über dem Wasser befinde. Ziel des Mediators sei es jedoch, tiefer zu schauen und auch den anderen, größeren Unterwasserteil des Eisbergs zu ergründen. Dies sei aber nur durch den Vorteil der Vertraulichkeit der Mediation zu erreichen. Je nach Fall ließen sich auch Zeit und Geld durch eine Mediation sparen. Die Auswahl des Mediators erfolge aus momentan 20 am EUIPO zertifizierten Mediatoren. Diese seien besonders ausgebildet und würden zweimal pro Jahr einer Fortbildung im Format einer Moc Mediation teilnehmen. 

Für die Mediation eigneten sich dabei insbesondere solche Fälle, die rechtlich komplex seien und bei denen mehrere Länder betroffen seien und daher die Erfolgsaussichten für beide Parteien unklar seien. Dabei seien insbesondere auch spezialisierte Märkte von Interesse, bei denen die Parteien auf Grund der Marktgröße bereits absehen könnten in Zukunft wieder miteinander zu tun zu haben.

Der Mediator sei dabei primär für die Durchführung des Verfahrens verantwortlich und würde die inhaltliche Entscheidung dem Konsens der Parteien überlassen. Dabei sei für einen Mediator die Vorbereitung besonders wichtig. Hierbei stünden ihm die Vertreter der Parteien als erste Ansprechpartner zur Verfügung, es sei jedoch unbedingt nötig auch mit den Parteien selber zu sprechen. Die größte Herausforderung für die Vertreter der Parteien wäre dabei, sich mit ihrer im Mediationsverfahren geänderten Rolle zu identifizieren. Diese unterscheide sich vom Verfahren vor der Beschwerdekammer dadurch, dass es hier darum ginge, einen Kompromiss zu erarbeiten und nicht darum, alle Forderungen des Mandanten uneingeschränkt durchzusetzen. Dabei solle man immer die Alternative im Auge behalten, die passiere, wenn man sich nicht einigen könne. Dementsprechend wandle sich die Rolle der Partei von einer passiven vor Gericht zur einer aktiven im Mediationsprozess. Die Mediation verlange von den Parteien, dass sie sich aktiv in die Erarbeitung eines Kompromisses einbringen. Daher sei es auch unerlässliche Voraussetzung, dass der anwesende Beteiligte der Partei unternehmensintern die Befähigung habe, Maßnahmen zur Streitbeilegung zu treffen.

Im Folgenden skizzierte der Referent den Ablauf eines typischen Mediationsprozesses. Der erste Kontakt werde in der Regel durch die Beschwerdekammer hergestellt, die, wenn sich der Fall nach ihrer Meinung für eine Mediation eigne, einen entsprechenden Hinweis an die Parteien schicken könne. Alternativ könnten auch die Parteien / könnte eine Partei einen Antrag auf Mediation stellen. Notwendig sei aber immer die freiwillige Zustimmung beider Parteien. Die Beschwerdekammer setzt dann das Verfahren entsprechend aus. Als nächstes folge die Auswahl des Mediators, wobei die Geschäftsstelle des EUIPO hier beratende Hinweise gebe. Hierbei sei insbesondere darauf zu achten, dass es zwischen dem Mediator und den Parteien eine gemeinsame Sprache gebe, in der sich alle sicher fühlten, die Mediation zu führen. Diese Sprache sei in der Regel die Sprache des Beschwerdeverfahrens, dies müsse jedoch nicht der Fall sein. Nach Auswahl des Mediators kontaktiert dieser die Parteien mit einer Bitte um eine Fallzusammenfassung aus der eigenen Sicht. Dabei solle diese Fallzusammenfassung insbesondere wirtschaftliche und persönliche Aspekt beinhalten. Da gerade diese im Gegensatz zu einem Urteil auch berücksichtigt werden könnten, sei es wichtig, dass der Mediator sich bereits früh einen Überblick über die Gemengelage schaffen könne.

Als nächstes unterzeichneten die Parteien eine Mediationsvereinbarung. Diese beinhalte insbesondere eine Vertraulichkeitserklärung. Im weiteren Verlauf erkundige sich der Mediator durch Anrufe bei den Vertretern und den Parteien nach weiteren Details um den Tag der Mediation möglichst gut vorbereiten zu können. Dabei würden auch logistische Vereinbarungen geschlossen. Der Mediationstag selbst werde nach privaten Vorgesprächen mit einem gemeinsamen Gespräch unter Leitung des Mediators eröffnet. Dieser stelle am Anfang noch einmal die Regeln der Mediation in den Vordergrund. Gefolgt werde dies von Eröffnungsstatements der Parteien. Dies sei manchmal das erste Mal, dass sich die Parteien in einem persönlichen Gespräch begegneten. Hier sei es dem Mediator manchmal möglich, bereits erste Ansatzpunkte für einen Kompromiss herauszuarbeiten. Jedenfalls sei es wichtig, dass die Parteien etwas über die Hintergründe der Forderung der anderen Partei erfahren könnten. Als nächstes werde die Agenda aufgestellt. Für die weiteren Gespräche werde jeder Partei ein Raum zur Verfügung gestellt und im Folgenden werde der Mediator mit Hilfe von privaten und gemeinsamen Gesprächen versuchen, zwischen den Parteien zu vermitteln. Dabei nehme die Gesprächsdauer in der Regel im Laufe des Tages ab. Als Ergebnis solle am Ende des Tages eine Grundsatzvereinbarung geschlossen werden. Diese könne in der Regel noch nicht alle Einzelheiten regeln, sie solle jedoch den Rahmen eines Kompromisses abstecken und als Grundgerüst für den Kompromiss dienen. Dazu sei es in der Regel notwendig, dass in den kommenden Wochen noch die Einzelheiten festgelegt werden. 

Der Referent schloss seinen Vortrag mit einigen Ausblicken zur Zukunft des Mediationsdienstes. Der Referent wies auf Art. 170 der Unionsmarkenverordnung hin, wonach es möglich sei ein Mediationszentrum zu schaffen. Dabei bedauerte er insbesondere, dass es momentan nicht schon im Widerspruchsverfahren möglich sei, eine Mediation über das Amt zu beginnen. Diese Möglichkeit würde sich aber mit einem solchen Mediationszentrum ergeben. Er äußerte den Wunsch, dass das Mediationsverfahren auf alle inter partes Verfahren des Amtes ausgedehnt werde. Außerdem hoffe er auch auf Interesse und die Möglichkeit, dass sich außerhalb des Amtes agierende Anwälte zukünftig als Mediatoren an der Mediation beteiligen. Zum Abschluss seines Vortrages betonte der Referent noch einmal die drei wichtigen Aspekte der Mediation: „Vertraulichkeit, Freiwilligkeit und Flexibilität“ und stellte die Vorteile der Mediation noch einmal zusammenfassend dar.

Im Anschluss an den Vortrag fand eine rege Diskussion statt, bei der unter anderem die Fragen nach der Möglichkeit eines Dolmetschers, nach Statistiken zu den Verfahren, dem Werdegang des Beschwerdeverfahrens nach erfolgreicher Mediation beantwortet wurden. Es wurden die Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit der WIPO diskutiert und es wurde erörtert, welche Länder besonders oft an einer Mediation teilnehmen. Dabei wurden die skandinavischen Länder und das Vereinigte Königreich als besonders mediationsoffen erwähnt. Aber auch in südeuropäischen Ländern sei ein Trend hin zur Mediation erkennbar, dies z.B. in Spanien, wo in einigen Bereichen bereits eine Mediation zur Pflicht vor einem Prozess gemacht wurde. Weitere Fragen beschäftigten sich mit der Verbindung zwischen Beschwerdekammer und dem Mediationsverfahren. Dabei wurde seitens des Referenten noch einmal klargestellt, dass sich weder die Beschwerdekammer noch der Mediator durch eine vorläufige Rechtseinschätzung äußere, da dies sich negativ auf die Wahrnehmung des Mediators als neutrale Person auswirken könnte.

 

WissHK Yannick Schrader-Schilkowsky

 

Die Werkstattgespräche werden am 23.01.2019 fortgesetzt.

Details

21.11.2018, 18:00 Uhr - 21:00 Uhr
Ort: Haus der Universität, Schadowplatz 14, 40212 Düsseldorf
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