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Werkstattgespräche: Das scharfe Schwert des Besichtigungsverfahrens im gewerblichen Rechtsschutz

CIP Werkstattgespräche

Das scharfe Schwert des Besichtigungsverfahrens im gewerblichen Rechtsschutz - Rechtsmittel und Verteidigungsmöglichkeiten des Antragsgegners

Referentin: Dr. Anna Wolters, Rechtsanwältin, Bird & Bird, Düsseldorf 

Thema der ersten Werkstattgespräche im Sommersemester 2010 war das Besichtigungsverfahren im gewerblichen Rechtsschutz. Wie zu erwarten war, konnte dieses sehr praxisrelevante Thema eine große Zahl von Besuchern in den Blauen Salon auf Schloss Mickeln locken. Referentin war Dr. Anna Wolters, Rechtsanwältin bei Bird & Bird in Düsseldorf. Der Fokus ihres Vortrags lag auf den Verteidigungsmöglichkeiten des Antragsgegners nach erfolgtem Besichtigungsverfahren.

Einleitend stellte die Referentin die heutigen Rechtsgrundlagen für das Besichtigungsverfahren heraus, nämlich die §§ 140c PatG, 24c GebrMG, 19a, 128, 135 MarkenG, 9 HalbLSchG, 101a UrhG, 46a GeschmMG und 37c SortenSchG. Durch diese Vorschriften wurden die Art. 6 und 7 der Enforcement-Richtlinie (2004/48/EG) mit Wirkung zum 01.09.2008 auf der Grundlage materiell-rechtlicher Ansprüche umgesetzt.

Exemplarisch stellte Frau Dr. Wolters zunächst die Voraussetzungen für einen Besichtigungsanspruch nach § 140c PatG vor. Nach dessen Abs. 3 kann die Duldung eines Besichtigungsverfahrens im Wege der einstweiligen Verfügung ohne vorherige Anhörung des Gegners angeordnet werden. Dies sei sinnvoll, da nur so einer zu befürchtenden Beweisvereitelung durch den Antragsgegner vorgebeugt und der Zweck des Besichtigungsverfahrens, die Beweissicherung, erreicht werden könne.

Die Verweisung auf die Vorschriften über die einstweilige Verfügung ermöglicht das Vorgehen gemäß der auch schon vor Umsetzung der Enforcement-Richtlinie etablierten sog. Düsseldorfer Praxis. Dazu wird ein selbständiges Beweisverfahren gem. §§ 485 ff. ZPO mit einer einstweiligen Verfügung gerichtet auf Duldung der Besichtigung kombiniert (siehe ausführlich etwa Kühnen, GRUR 2005, 185). Gegenüber dem Vorgehen mit einer isolierten Duldungsverfügung birgt dieses Vorgehen den Vorteil, dass für ein etwaiges späteres Hauptsacheverfahren ein vollständiges Sachverständigengutachten über die Frage der Rechtsverletzung mit der Folge des § 493 Abs. 1 ZPO vorliegt. 

Anschließend widmete sich Frau Dr. Wolters der Kernfrage ihres Vortrags, nämlich welche Verteidigungsmöglichkeiten dem Antragsgegner zur Verfügung stehen, nachdem eine Besichtigung nach den Grundsätzen der Düsseldorfer Praxis erfolgt ist. Insofern existiere kein einheitlicher Rechtsbehelf, so dass zwischen solchen gegen die Duldungsverfügung und solchen gegen die selbständige Beweisanordnung zu differenzieren sei.

Gegen die einstweilige Verfügung besteht die Möglichkeit des Widerspruchs nach §§ 936, 924 ZPO. Insofern sei aber zu beachten, dass sich die Verfügung mit der Besichtigung regelmäßig erledigt habe. Die Erledigung tritt nämlich nach Ansicht der Referentin nicht erst mit Herausgabe des Sachverständigengutachtens an die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers oder diesen selbst ein. Im Zweifel sei nämlich nur die Besichtigung durch den Sachverständigen, nicht aber durch den Antragsteller beantragt. Auch sei dem Zweck der Maßnahme, nämlich der Beweissicherung, schon mit erfolgter Besichtigung Genüge getan. Daher komme dem Widerspruch regelmäßig nur die Funktion zu, eine Entscheidung über die Kosten des Verfügungsverfahrens herbeizuführen.

Interessant ist insoweit vor allem, ob der Antragsgegner sich darauf berufen kann, es habe an der für einen Verfügungsgrund erforderlichen zeitlichen Dringlichkeit gefehlt, etwa wenn der Antragsteller vor der Stellung des Besichtigungsantrags längere Zeit hat verstreichen lassen. Dieser teils vertretenen Meinung trat die Referentin unter Hinweis auch auf die Gesetzesbegründung entgegen. Ziel der mit Hilfe der Verfügung durchgesetzten Besichtigung sei die Beweissicherung. Der Verfügungsgrund ergebe sich somit schon aus der Beweisvereitelungsgefahr, die regelmäßig vorliege, und zwar unabhängig davon, wie lange der Antragsteller vor der Antragstellung zugewartet habe. Dass eine zeitliche Dringlichkeit nicht immer Voraussetzung für den Verfügungsgrund sei, zeige zudem ein Vergleich mit § 140d Abs. 3 PatG. Hiernach kann die Vorlage von Bank-, Finanz - oder Handelsunterlagen zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches auch noch nach Ablauf des verletzten Patents im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden. 

Eine weitere Verteidigungsmöglichkeit des Antraggegners stellt die Fristsetzung zur Erhebung der Hauptsacheklage nach §§ 936, 926 Abs. 1 ZPO dar. Frau Dr. Wolters widmete sich insoweit vor allem der Frage, was in diesem Zusammenhang Gegenstand der Hauptsacheklage ist. Jedenfalls könne es nicht um den Besichtigungsanspruch gehen, da dieser durch die erfolgte Besichtigung auch in der Hauptsache erledigt sei. Es könne daher nur die Entscheidung zur Rechtsverletzung gemeint sein. Daraus ergebe sich, dass einem Antrag auf Fristsetzung zur Hauptsacheklage vor Aushändigung des Sachverständigengutachtens das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Gegen eine vorzeitige Fristsetzung könne der Antragsteller mit der befristeten Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG reagieren. 

Sodann rückten die Verteidigungsmöglichkeiten des Antraggegners gegen die Besichtigungsanordnung nach §§ 485 ff. ZPO in den Fokus. Insoweit ist zu beachten, dass der betreffende Beschluss gem. § 490 Abs. 2 unanfechtbar ist. Neben der – oftmals wenig Erfolg versprechenden – Gegenvorstellung kommt daher Frau Dr. Wolters zufolge vor allem eine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss zur Aushändigung des Sachverständigengutachtens gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Betracht. Auch die Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO sei nicht gem. § 542 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, da es sich um einen vom Erlass der einstweiligen Verfügung unterschiedlichen Verfahrensgegenstand handele. Der auch in diesem Zusammenhang gem. § 494a ZPO mögliche Antrag auf Fristsetzung zur Erhebung der Hauptsacheklage habe ebenfalls nur nach Aushändigung des Sachverständigengutachtens Aussicht auf Erfolg.

Gegen Ende ihres Vortrags widmete sich die Referentin der Frage, welche präventiven Möglichkeiten dem Antragsgegner zur Verfügung stehen, um den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu verhindern. Hier komme vor allem die Hinterlegung einer Schutzschrift bei Gericht in Betracht. Zusätzlich zu dem Inhalt einer „normalen“ Schutzschrift, d.h. einer solchen gegen eine Unterlassungsverfügung, habe diese dann Gründe zu enthalten, aus denen sich die Unzulässigkeit einer Besichtigungsanordnung ergeben könnte, wie etwa die Behauptungen, man habe keine Verfügungsgewalt über den zu besichtigenden Gegenstand, es bestehe aus bestimmten Gründen keine Beweisvereitelungsgefahr oder es existierten besondere, über das übliche Maß hinausgehende Geheimhaltungsinteressen.

Dem Fazit Frau Dr. Wolters, dass relativ beschränkte Rechtsschutzmöglichkeiten für den Antragsgegner bestünden, so dass das Besichtigungsverfahren oftmals in der Tat ein „scharfes Schwert“ darstelle, folgte eine lebhafte Diskussion. Diese drehte sich vor allem um das Erfordernis der Dringlichkeit als Verfügungsgrund, insbesondere dessen zeitliche Komponente.

Autor: Tobias Wilcke

Dateien:
<media 34843>FAO Teilnahmebescheinigung_100421 (pdf)</media>
<media 34843>Wolters - Besichtigungsverfahren (Präsentation) (ppt)</media>

Details

21.04.2010, 18:00 Uhr - 20:00 Uhr
Ort: Schloss Mickeln, Blauer Salon
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