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Werkstattgespräch im Haus der Universität: Fairnessausgleich für Gebrauchsgestaltungen, die unter dem KUG entstanden sind

CIP Werkstattgespräche

Werkstattgespräch, 22. Januar 2020, 18 Uhr, Haus der Universität Düsseldorf

Fairnessausgleich für Gebrauchsgestaltungen, die unter Geltung des KUG entstanden sind – Urheberrechtlicher Schutz von 1907 bis 1966

Ein Gang durch die Geschichte des Designschutzes: Industrialisierung – Beginn der Moderne – Nationalsozialismus – Nachkriegsjahre – Bis heute

 

Referentin: RA’in Dr. Sabine Zentek, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht, Herdecke

 

Am Mittwoch, den 22. Januar 2020, referierte Frau Dr. Sabine Zentek, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht in Herdecke, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Werkstattgespräche“ des Zentrums für Gewerblichen Rechtsschutz zu dem Thema „Fairnessausgleich für Gebrauchsgestaltungen, die unter Geltung des KUG entstanden sind – Urheberrrechtlicher Schutz von 1907 bis 1966“.

Frau Dr. Zentek nahm die Zuhörerschaft mit auf eine Zeitreise durch die Geschichte des Designschutzes: Angefangen bei der Industrialisierung und dem Beginn der Moderne, gefolgt von dem Wandel des Designschutzes durch den Nationalsozialismus und die Nachkriegsjahre, beleuchtete die Referentin die Entwicklung des urheberrechtlichen Schutzes der vergangenen zwei Jahrhunderte bis heute.

Zu Beginn ihres Vortrages stellte die Referentin die einleitende Frage, weshalb das Kunsturheberrechtsgesetz (KUG), das im Jahr 1907 in Kraft trat, noch in der heutigen Zeit interessant sei. Ihre Antwort lautete, dass man durch die Betrachtung des KUG lernen könne, welche Entwicklung das Urheber- und Designrecht im Laufe der Zeit gewonnen habe.

Zudem zeige ein Rechtsstreit vor dem Landgericht Braunschweig, dass das KUG noch immer praktische Relevanz aufweise. Die Tochter des 1966 verstorbenen Erwin Komenda, der in der Karosserie-Konstruktionsabteilung der Porsche GmbH beschäftigt und an der Entwicklung des ursprünglichen Automodells Käfer (Ur-Käfer) von 1934 bis 1938 beteiligt war, habe vor dem Landgericht Braunschweig Nachvergütungsansprüche gegen die Volkswagen AG hinsichtlich der von ihr seit 2014 vertriebenen Modelle des Käfers geltend gemacht. Die Klägerin beziehe sich auf § 32a UrhG, der im Jahr 2002 in das Urheberrechtsgesetz aufgenommen worden sei.

Das Landgericht Braunschweig entschied mit Urteil vom 19. Juni 2019 (Az. 9 O 3006/17), dass § 32a UrhG auch dann grundsätzlich anwendbar sei, wenn der Vertrag – vorliegend also der Arbeitsvertrag des Herrn Komenda mit der Porsche GmbH – und die Schöpfung, also der zugrundeliegende Entwurf des Ur-Käfers, aus der Zeit vor 1966 stammten. Das Jahr 1966 bildet eine Zäsur, da das Gesetz über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte am 1. Januar 1966 in Kraft trat. Eine weitere Voraussetzung der Anwendbarkeit von § 32a UrhG bilde der Umstand, dass die Verwertung des Entwurfs vor dem 1. Juli 2002 stattgefunden habe.

Das Landgericht Braunschweig leitet die Maßgeblichkeit des KUG aus § 129 UrhG. Darin heißt es, dass die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes auch auf die vor seinem Inkrafttreten geschaffenen Werke anzuwenden sind, es sei denn, dass sie zu diesem Zeitpunkt urheberrechtlich nicht geschützt waren. Aus dieser Vorschrift folge die für den Rechtsstreit entscheidende Frage, ob der Entwurf des Ur-Käfers tatsächlich dem KUG aus 1907 unterfällt.

Der Rechtsstreit zeige, so die Referentin, den aktuellen Bezug des KUG. Zudem sei es grundsätzlich interessant zu untersuchen, wie sich der Schutz von Werken der angewandten Kunst entwickelt habe.

Die Referentin gab zunächst einen kurzen Überblick über das Thema ihres Vortrages und stellte die einzelnen Stationen des Gangs durch die Geschichte des Designschutzes vor. Die zu beantwortende Leitfrage sei, unter welchen Voraussetzungen ein Gebrauchsgegenstand als ein „Erzeugnis des Kunstgewerbes“ im Sinne von § 2 KUG einzuordnen sei.

Die Antwort setze nicht nur eine Untersuchung der Entstehungsgeschichte des KUG und der ihm zugrundeliegenden gesetzlichen Kriterien voraus, sondern auch die Berücksichtigung der Intention des historischen Gesetzgebers des KUG. An dieser Stelle nahm Frau Dr. Zentek vorweg, dass das KUG nach ihrer Ansicht das „beste“ (Urheberrechts-)Gesetz sei, über das Deutschland jemals verfügt habe. Auch das Urheberrechtsgesetz in seiner gegenwärtigen Fassung, das seit 1966 die vorher getrennten Materien des Literatur- und Kunstschutzes in einem Gesetz vereint, reiche inhaltlich nicht an das KUG heran.

Neben dem Gesetzestext sei die Rechtsprechung und ihr Umgang mit dem KUG von Bedeutung. Sie zeichne sich dadurch aus, dass sie nicht gleichmäßig sei, sondern einige Veränderungen durchlebt habe. Diese würden insbesondere in der Zeit Nationalsozialismus sichtbar. In den Jahren 1933 bis 1945 habe das Urheberrecht einen erheblichen Wandel durchlaufen. Obwohl er nicht auf legislativer Ebene stattgefunden habe – der Gesetzestext aus 1907 habe vielmehr unverändert fortbestanden –, seien Veränderungen auf der judikativer Ebene sichtbar: Die Gerichte hätten zunehmend das KUG nicht mehr in seiner geschriebenen Form angewendet, sondern im Sinne der Ideologie des Nationalsozialismus überformt.

Die nächste Station des Gangs durch den Designschutz bildete die Nachkriegszeit. Bemerkenswert sei die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Sie weise einige Parallelen zu der Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Zeit des Nationalsozialismus auf. Diese Parallelen seien insbesondere in der Weiterführung des Kriteriums der „eigenpersönlichen Prägung“ und der dem KUG widersprechenden Verdrängung der Sachverständigenkammern zu sehen. Diese Kontinuitäten spiegeln sich nach Ansicht der Referentin zum Teil bis heute in der Rechtsprechung wider.

Besonders prägend für die Rechtsprechung in den Nachkriegsjahren sei naturgemäß die des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs gewesen. An dieser Stelle verwies Frau Dr. Zentek auf den Richter am BGH Fritz Lindenmaier. Er sei eine Schlüsselfigur in der Geschichte des Urheberrechtsschutzes.

Fritz Lindenmaier habe als Mitglied in vier Ausschüssen der Akademie für Deutsches Recht, die im Jahr 1933 gegründet wurde, an der Umgestaltung des Urheberrechts im Nationalsozialismus mitgewirkt. Zudem habe er als Vorsitzender des I. Zivilsenats des Reichsgerichts maßgeblich daran mitgewirkt, dass die Ideologie des Nationalsozialismus Eingang in das Urheberrecht fand.

Auch in der Nachkriegszeit sei Lindenmaier eine Schlüsselfigur der deutschen Rechtsprechung gewesen: Mit Errichtung des Bundesgerichtshof am 1. Oktober 1950 sei er an diesen berufen worden und gehörte dem I. Zivilsenat an. Lindenmaier habe die Grundsätze der NS-Zeit nahtlos mit zum BGH gezogen und damit Rechtsprechungskontinuitäten betreffend die Untergrenze des Urheberrechtsschutzes im Vergleich zum Geschmacksmusterschutz geschaffen.

Die Referentin befasste sich außerdem ausführlich mit der Geschichte des Schutzes von Gebrauchsprodukten. Der Gang durch den Designschutz begann mit der Industrialisierung und dem ersten Gesetz zum Schutz von Kunstwerken aus dem Jahr 1837, das im Jahr 1876 von dem Gesetz zum Schutz von Werken bildender Künste und dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen abgelöst wurde. Frau Dr. Zentek erläuterte das Spannungsfeld zum Gebrauchsmustergesetz, das im Jahr 1891 in Kraft trat und Überschneidungen mit Geschmacksmustern einerseits und dem Patentrecht andererseits bereinigen sollte.

Zu den einzelnen historischen Stationen des Designschutzes, denen sich Frau Dr. Zentek widmete, wird auf ihren Aufsatz in der UFITA (I) 2016, 35 verwiesen.

Im Anschluss an den Vortrag diskutierten die Zuhörer angeregt über die dargestellte Thematik und die aufgeworfenen Fragestellungen.

 

Wiss. Mit. Alexandra Wachtel

Details

22.01.2020, 18:00 Uhr - 21:00 Uhr
Lehrstuhl für Gewerblichen Rechtsschutz
Ort: Haus der Universität, Schadowplatz 14, 40212 Düsseldorf
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