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Werkstattgespräch im Haus der Universität: Erschöpfung 2.0 – Zum Handel mit Gebrauchtsoftware im digitalen Zeitalter

CIP Werkstattgespräche

Werkstattgespräch, 19. November 2019, 18 Uhr, Haus der Universität

Erschöpfung 2.0 – Zum Handel mit Gebrauchtsoftware im digitalen Zeitalter

Referent: RA Prof. Dr. Guido Becker, LL.M., BECKER Intellectual Property, Düsseldorf

 

Prof. Dr. Becker referierte am 19.11.2019 im Haus der Universität zu dem Thema „Erschöpfung 2.0 – Zum Handel mit Gebrauchtsoftware im digitalen Zeitalter“.

Nach der Begrüßung leitete der Referent in das Thema mit einem Beispiel ein. So sei ein Großteil der im Internet zu günstigen Preisen verkauften Software „gebrauchte“ Software. Wenn man auf solche zurückgreifen möchte, so Prof. Becker, sollte man sich die Fragen stellen, auf die der Vortrag einging.

Der Vortrag unterteilte sich zunächst in eine Einführung über den Begriff der Software und Ihrer Erschöpfung. Sodann ging er auf die Rechtsprechung zu diesem Thema, sowie auf mögliche Lösungsansätze ein.

Zunächst einmal leitete Herr Prof Becker in den Begriff der Software und der digitalen Inhalte ein. Der Begriff „digital“ lässt sich vom lateinischen „digitus“, also Deutsch: „Finger“ ableiten, was auf das Abzählen mit den Fingern zurückzuführen ist. Der maschinenlesbare Code, den ein Computer ausliest und ausführt, ist nämlich im Wesentlichen nichts anderes als Nullen und Einsen und damit ein- oder ausgeschalteter Zustand von Stromkreisen. Dadurch hat sich „Digital“ als Schlagwort für alles, was mit Computern zu tun hat („neue Technologien“), entwickelt. Die Software ist ein solcher Code, welcher die Maschine veranlasst etwas zu tun. Der Code entsteht dadurch, dass ein Programmierer in einer Programmiersprache einen sogenannten „Quellcode“ erstellt, welcher sodann in einen maschinenlesbaren Code übersetzt wird. Über die Anwendbarkeit und Veräußerbarkeit von Software wird viel diskutiert. Was allerdings eine Software ist, ist nirgends rechtlich definiert. Dies sei allerdings aufgrund der fortschreitenden Technologien auch so gewollt. Es gibt allerdings eine ISONorm, wonach Software all das, was mit maschineller Datenverarbeitung zu tun hat und keine Hardware, also kein Gerät, ist. Software sind zum einen Computerprogramme, also Regeln beziehungsweise Anweisungen, die eine Maschine veranlasst, ein Ergebnis auszugeben. Zum anderen sind Daten auch Software. Diese sind Bezugspunkte der Datenverarbeitung, Datenbanken, Filmsequenzen und einiges mehr. Kurzum: Alles, was in einem Gesamtsoftwareprodukt vorgefunden werden kann. Diese beiden Elemente von Software sind an verschiedenen Stellen im Gesetz geregelt. Computerprogramme sind durch die ComputerprogrammRichtlinie (Richtlinie 91/250/EWG) geregelt, welche in § 69a ff. UrhG umgesetzt ist. Datenbanken sind in der Datenbankrichtlinie (Richtlinie 96/9/EG) geschützt, welche auch im Urheberrecht einmal in Form von Urheberrechten und einmal in Form von Leistungsschutzrechten umgesetzt ist. Daneben steht die Regelung der Informationsgesellschaftsrichtlinie (Richtlinie 2001/29/EG). Sie regelt den Inhalt und die Schranken des Urheberrechts bei allen anderen Werken. Aufgrund dieser unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen sind die Ausgangslagen rechtlich verschieden. Darüber hinaus können Marken und Designs, sowie Patente, für softwarebasierte Erfindungen, für den Softwareschutz relevant sein.

Das Besondere an Computerprogrammen ist, dass diese im Gegensatz zu anderen urheberrechtlich geschützten Werken nicht genossen werden können. Sie sind Anweisungen an Maschinen. Im Gegensatz zu Bildern und Filmen haben Computerprogramme im urheberrechtlichen Sinne keine „anregende Wirkung“ – sie werden weder rezipiert noch findet ein kommunikativer Austausch statt. Sie sind reine Handlungsanweisungen, was vom Prinzip her eher an das Patentrecht erinnert. Zudem unterscheidet sich Software von anderen urheberrechtlich geschützten Werken vor allem dadurch, dass durch ihre Benutzung zwangsläufig Vervielfältigungshandlungen vorgenommen werden. Sie ist auf der Festplatte gespeichert. Bei der Benutzung holt der Prozessor Stücke der Software in den Arbeitsspeicher, um mit diesen schneller agieren zu können. Dadurch wird die Software bei jeder Verwendung vervielfältigt. Dies geschieht nicht nur mit den ausführbaren Elementen, sondern auch bei Bildern und anderen Daten.

Der typische Fall des Handels mit Gebrauchtsoftware ist, dass der Hersteller der Software an seine Kunden die Software verkauft. Sobald der Kunde die Software nicht mehr benötigt, verkauft er diese sodann an einen Gebrauchtsoftwarehändler weiter. Der Gebrauchtsoftwarehändler verkauft diese wiederum an einen Nacherwerber weiter, der die Software anwendet. Diese Software wird in der Rechtsprechung als „Gebrauchtsoftware“, „Second-Hand-Software“, oder auch irreführend „Gebrauchte Lizenzen“ bezeichnet. Einzig richtig kann laut Prof. Becker nur der Begriff der „Programmkopien“ sein. Es stellen sich dabei zwei Rechtsfragen: Hat derjenige, der die Software weitergibt, aufgrund von Erschöpfung ein Verbreitungsrecht? Ist die Vervielfältigungshandlung des Anwenders durch das Laden in den Arbeitsspeicher,durch ein gesetzliches Nutzungsrecht gerechtfertigt? Es können zunächst einmal abgeleitet aus der Rechtsprechung einige Grundfälle unterschieden werden. Zum einen gibt es „Box-Produkte“, bei denen ein physischer Datenträger, beispielsweise eine CD, erworben und weiterverkauft wird. Zum zweiten kann Software samt Produktschlüssel heruntergeladen werden, auf einen Datenträger geladen und dann verkauft werden. Zum dritten wird nicht einmal der Datenträger, sondern lediglich der Produktschlüssel veräußert. Zum vierten wird der Produktschlüssel des „Box-Produkts veräußert und der originale Datenträger entsorgt.

Zudem wurden in der Rechtsprechung Fälle mit großen Volumina an Softwareveräußerungen behandelt. Diese waren entweder Client-Server-Lizenzen oder EinzelVolumen-Lizenzen. Bei Client-Server-Lizenzen wird die Software auf einem zentralen Server installiert und einzelne Nutzer („Clients“) greifen auf diese zu und laden sich dadurch Teile der Software in den Arbeitsspeicher. Dadurch nehmen sie Vervielfältigungshandlungen vor. Bei Einzel-Volumen-Lizenzen wird die Software, welche beim Benutzer einzeln installiert wird, nicht einzeln, sondern in größeren Mengen zu einem geringeren Preis verkauft.

Die Erschöpfung ist in § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG geregelt. Auf europäischer Ebene ergibt sich dies aus Art. 4 II Computerprogramm-RL. Der wesentliche Unterschied ist, dass nach der Richtlinie sich mit dem Erstverkauf der Programmkopie das Recht auf die Verbreitung dieser Kopie erschöpft. Nach dem deutschen Recht hingegen erschöpft sich mit Veräußerung eines Vervielfältigungsstückes eines Computerprogramms das Verbreitungsrecht in Bezug auf dieses Vervielfältigungsstück. Auch in Bezug auf das Nutzungsrecht ist eine solche Diskrepanz vorhanden. So bedarf nach Art. 5 I Computerprogramm-RL die Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmäßigen Erwerber nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers. § 69d I UrhG berechtigt hingegen jeden zur Verwendung eines Vervielfältigungsstücks des Programms. Maßgeblich ist dabei die unionsrechtskonforme Auslegung.

Herr Prof. Becker ging nun auf die Rechtsprechung und ihre Entwicklung ein.

Ursprünglich wurde vor 2012 zur Weiterveräußerung von Box-Produkt angenommen, dass das Verbreitungsrecht erschöpft sei, weil das Box-Produkt ein „Vervielfältigungsstück“ ist. Das Nutzungsrecht des Nacherwerbers hingegen war umstritten. Bei allen anderen Varianten der Weiterveräußerung war die wohl herrschende Meinung der Auffassung, dass keine Erschöpfung des Verbreitungsrechts gelangte. Eine solche könne nur an materiellen Gegenständen eintreten.

In der Grundsatzentscheidung des EuGH, Urt. v. 03.07.2012 – C-128/11 – „UsedSoft“; ging es um Oracle Lizenzen zu Oracle-Datenbankprogrammen, die von einem Gebrauchtsoftwarehändler veräußert wurden.

Der Verfahrensgang stellte sich wie folgt dar: Zunächst gab es ein Verfügungsverfahren vor dem LG München I, Urt. v. 19.01.2006 – 7 O 23237/5, welches sodann zum OLG München, Urt. v. 03.08.2006 – 6 U 1818/06 ging. Ebenso gab es ein Hauptsacheverfahren am LG München I, Urt. v. 15.03.2007 – 7 O 7061/06, welches dann auch beim OLG München, Urt. v. 03.07.2008 – 6 U 2759/07, landete und dann zum BGH, Beschl. v. 03.02.2011 – I ZR 129/08, ging. Der BGH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH vor. Zunächst fragte der BGH ob Erschöpfung dann eintritt, wenn der Ersterwerber ein Programm mit Zustimmung des Rechteinhabers (Herstellers) aus dem Internet herunterlädt. Sodann war gefragt, ob der Nacherwerber sich auf Erschöpfung des Verbreitungsrechts berufen kann, wenn der Ersterwerber seine Kopie gelöscht hat oder nicht mehr verwendet. Zuletzt war gefragt, ob der Nacherwerber in einem solchen Fall berechtigter Benutzer i. S. d. Art. 5 I Computerprogramm-RL ist.

Der EuGH entschied, dass mit dem Herunterladen eines Computerprogramms aus dem Internet durch Erstellen einer Kopie auf einem Datenträger das Recht auf die Verbreitung dieser Kopie gem. Art. 4 II der Computerprogramm-RL erschöpft ist. Dies gelte dann, wenn der Urheberrechtsinhaber dem Herunterladen zugestimmt hat, dies gegen Zahlung eines Entgelts, das es ihm ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie entsprechende Vergütung zu erzielen; geschehen ist, und dem Ersterwerber ein zeitlich unbegrenztes Recht zur Nutzung der Kopie eingeräumt wurde. Zudem hat der EuGH entschieden, dass im Falle des Vorliegens eines Wartungsvertrages die Erschöpfung an der verkauften Kopie in „verbesserter und aktualisierter Fassung“ besteht. Was Lizenzpakete angeht, so umfasst die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nicht die Aufspaltung von Lizenzpaketen und den Weiterverkauf für nur eine bestimmten Nutzerzahl. Zudem entschied der EuGH, dass der Hersteller berechtigt ist, mit „allen ihm zur Verfügung stehenden technischen Mitteln“ sicherzustellen, dass die beim Verkäufer noch vorhandene Kopie unbrauchbar gemacht wird. Wie genau dies erfolgen kann, wurde vom EuGH hingegen nicht entschieden. Der Nacherwerber kann sich nach dem EuGH unter den gleichen Voraussetzungen auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts berufen. Die Gründe für eine solche Entscheidung sind insbesondere zum einen der Vorrang der Computerprogramm-RL vor der InfoSoc-RL, in welcher der Europäische Gesetzgeber auf ein Vervielfältigungsstück und nicht auf eine Kopie abstellt, und zum anderen die wirtschaftliche Vergleichbarkeit. Es könne für den Hersteller keinen Unterschied machen, ob der Veräußerer eine Kopie oder ein Original-Box-Produkt weiterveräußert.

Daraufhin entschied der BGH, Urt. 17.07.2013 – I ZR 129/08 – „UsedSoft II“, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts das Unbrauchbarmachen der Kopie des Ersterwerbers voraussetzt. Bereits die bloße Möglichkeit, bei dem Erstverkauf eine angemessene Vergütung zu erzielen, reicht aus. Die Weitergabe der vom Ersterwerber ursprünglich heruntergeladenen Programmkopie (Verkörperung) ist nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, dass der Nacherwerber „die Kopie des Computerprogramms“ von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers herunterlädt. Hervorzuheben ist, dass sich der Umfang des gesetzlichen Benutzungsrechts des Nacherwerbers nach BGH aus dem Lizenzvertrag zwischen Urheberrechtsinhaber und Ersterwerber ergibt. Deshalb besteht eine konkrete Erstbegehungsgefahr einer Urheberrechtsverletzung, wenn der Veräußerer die zur Feststellung der bestimmungsgemäßen Benutzung erforderlichen Informationen nicht in geeigneter Weise erteilt, also wenn einem Nacherwerber nicht das Original oder eine Kopie des Lizenzvertrags überreicht wird.

In der Entscheidung des BGH, Urt. v. 11.12.2014 - I ZR 8/13 – „UsedSoft III“, wurde zudem entschieden, dass die Erschöpfung bei Aufspaltung von Softwarepaketen davon abhängt, ob es sich um Client-ServerLizenzen oder Einzelplatz-Volumenlizenzen handelt. Im Anschluss an den EuGH entschied der BGH, dass bei Aufspaltung und teilweiser Weiterveräußerung von Client-Server-Lizenzen keine Erschöpfung eintritt. Diese tritt vielmehr bei Aufspaltung und teilweiser Weiterveräußerung von Einzelplatz-Volumenlizenzen ein, wenn eine entsprechende Anzahl von Kopien unbrauchbar gemacht wird. Der Grund dafür liegt darin, dass bei einer Client-Server-Lizenz lediglich eine Kopie der Software vorhanden ist. Bei der Aufspaltung würde diese vervielfacht werden. Bei der Einzelplatz-Volumenlizenz sind diese Vervielfältigungsstücke ohnehin vorhanden. Zudem entschied der BGH, dass eine Installation und Nutzung der Software beim Ersterwerber nicht notwendig ist.

Darauf folgte das Urteil des BGH, Urt. v. 19.03.2015 – I ZR 3/14 – „Green-IT“. Das Urteil beschäftigt sich mit dem Kauf von „Box-Produkten“ durch einen Softwarehändler, welcher sodann lediglich die Produktschlüssel weiterveräußerte. Der BGH entschied, dass wenn der vom Verkäufer erhaltene Datenträger beim Weiterverkauf zurückbehalten wird, keine Verletzung des Verbreitungsrechts vorliegt. Allerdings ist dies als eine konkrete Erstbegehungsgefahr einer Verletzung des Vervielfältigungsrechts anzusehen. Dem Nacherwerber steht kein gesetzliches Benutzungsrecht zu, weil er keine Programmkopie, sondern lediglich eine „Lizenz“ erworben hat. Zudem hat der BGH entschieden, dass an einer Software, die nur für eine bestimmte Zeit funktionsfähig ist, ein Recht zur dauerhaften Nutzung für die gesamte Zeit der Funktionsfähigkeit des Computerprogramms besteht. Offengelassen hat der BGH, ob der Veräußerer als mittelbarer Täter, Gehilfe oder Störer für die Vervielfältigungshandlung des Erwerbers haftet.

Zu Sicherheitskopien von Software entschied der EuGH, Urt. v. 12.10.2016 – C-166/15, dass der Ersterwerber seine Sicherungskopie der Software dem Zweiterwerber nicht ohne Zustimmung des Rechtsinhabers übergeben darf, wenn der körperliche Originaldatenträger beschädigt oder zerstört wurde oder verloren gegangen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Ersterwerber vom Urheberrechtsinhaber einen körperlichen Originaldatenträger erhalten oder das Programm im Internet gekauft und heruntergeladen hat. Allerdings muss der rechtmäßige Erwerber einer Lizenz zur unbefristeten Nutzung der benutzten Kopie eines Computerprogramms das Programm von der Website des Urheberrechtsinhabers herunterladen können. Ob sich daraus ein Anspruch des Nacherwerbers auf Einräumung einer Nutzungsmöglichkeit ergibt, ist unklar. Der BGH, Urt. v. 11.02.2010 – I ZR 178/08 – „Half-Life 2“, lehnte dies ab. Ein solcher Anspruch kann ihm, so Prof. Becker, lediglich gegen seinen Verkäufer zustehen. Ob diese BGH-Entscheidung durch das EuGH-Urteil überholt ist, ist umstritten.

Sodann folgte eine kurze Auswahl an instanzgerichtlicher Rechtsprechung.

Das LG Hamburg, Urt. v. 09.11.2017 – 327 O 301/17, entschied, dass es „völlig unerheblich“ sei, ob der Erstverkäufer eigene Kopien vernichtet oder nicht, wenn sich der Originaldatenträger beim Nacherwerber befindet. Prof. Becker bezweifelte, ob dieses Urteil einer Überprüfung durch höhere Instanzen Stand gehalten hätte.

Das OLG München, Urt. v. 22.09.2016 – 29 U 3449/15, entschied: „Die bloße Zusendung eines Product Keys für ein Computerprogramm als Gestattung i.S.d. § 69c UrhG stellt keine Urheberrechtsverletzung dar und begründet deshalb keine Auskunfts- und Schadensersatzansprüche.“

Das OLG München, Urt. v. 01.06.2017 – 29 U 2554/16, entschied, dass an Testversionen keine Erschöpfung eintritt, weil noch kein Recht zur dauerhaften Nutzung eingeräumt wird.

Das OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.05.2016 – 6 W 42/16, entschied, dass keine Erschöpfung eintritt, wenn der Ersterwerber lediglich den Produktschlüssel und die Möglichkeit zum Herunterladen der Software erhält, ohne den Produktschlüssel zu aktivieren. Dies steht, so Prof. Becker, im direkten Gegensatz zur „UsedSoft III“- Entscheidung des BGH.

Daneben stellt sich auch die Frage nach der markenrechtlichen Erschöpfung. Parallel zur urheberrechtlichen Erschöpfung tritt auch die markenrechtliche Erschöpfung ein. Der BGH begründet dies in der „UsedSoft II“- Entscheidung dogmatisch mit einer analogen Anwendung des § 24 I MarkenG. Sie tritt nicht ein, so der BGH in der „Green-IT“-Entscheidung, wenn der Hersteller sich aus berechtigten Gründen dem weiteren Vertrieb widersetzen kann (Art. 15 II UMV, § 24 II MarkenG). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Software durch Übermittlung der Seriennummer unter Zurückbehaltung der Programmkopie weiterveräußert wird.

Zudem gibt es auch lauterkeitsrechtliche Aspekte. Nach OLG Hamburg, Beschl. v. 16.6.2016 – 5 W 36/16, ist das Angebot zur Übersendung eines bloßen Produktschlüssels, ohne dass der Verbraucher darüber informiert wird, wie seine Rechte zur bestimmungsgemäßen Nutzung ausgestaltet sind, unlauter. Informationen, wie die Rechte zur bestimmungsgemäßen Benutzung ausgestaltet sind, sind eine wesentliche Information i. S. d. § 5a III Nr. 1, II UWG.

Das OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.11.2016 – 6 U 167/16 entschied, dass es sich um Irreführung über ein wesentliches Merkmal der Ware nach § 5 I S. 2 Nr. 1 UWG handelt, wenn der in Erfüllung des Kaufvertrages übermittelte Lizenzschlüssel den Erwerber nicht berechtigt, im Verhältnis zum Rechteinhaber das Programm herunterzuladen und zu nutzen.

Herr. Prof. Becker ging sodann auf die Darlegungs- und Beweislast ein.

Diese liegt bei demjenigen, welcher sich auf die Erschöpfung beruft. Im Urheberrechtsprozess ist die Erschöpfung eine Schranke des Urheberrechts, sodass der angebliche Verletzer, also der Beklagte die Erschöpfung beweisen muss. Im lauterkeitsrechtlichen Verfahren macht der Kläger Unterlassungsansprüche geltend und beruft sich darauf, dass der Beklagte mit Software handelt, die nicht erschöpft ist, und muss dies dementsprechend beweisen.

Die Anforderungen an einen solchen Beweis sind ziemlich hoch. Nicht ausreichend sind Erklärungen des ursprünglichen Lizenznehmers, Notartestate über Erklärungen des ursprünglichen Lizenznehmers, Erklärungen eines Entsorgungsunternehmens dahingehend, dass nicht näher bezeichnete Datenträger vernichtet wurden, Besitz des Produktschlüssels oder auch Echtheitszertifikate auf Datenträgern, jedenfalls dann, wenn Sie nicht vom Hersteller angebracht wurden.

An anderen Beweismöglichkeiten verbleiben sodann lediglich die Vorlage des Lizenzvertrages und die Zeugenaussagen aller Beteiligten in der Rechtekette bis zum Hersteller, dass die vorhandenen Kopien unbrauchbar gemacht wurden und gegebenenfalls ergänzend Sachverständigengutachten und Auditierungen, beziehungsweise Zertifizierungen.

Welche Möglichkeit den Herstellern und den Nacherwerbern bleibt, ließ Herr Prof. Becker weitestgehend offen.

Er sprach für Hersteller vor allem Mietmodelle an, welche allerdings für diese zu erheblichen mängelrechtlichen Konsequenzen zu führen scheinen, sowie vertragliche Vereinbarungen, welche aber nach herrschender Meinung keine dingliche Wirkung entfalten und so keine Erschöpfung verhindern und dadurch wohl auch nach § 307 II Nr. 1 BGB unwirksam sind. Ob sie individualvertraglich vereinbart werden können, sei umstritten. Händlern von gebrauchter Software bleibt hingegen lediglich die genauste Dokumentation aller Beteiligter, sowie eine möglichst ausführliche Information des Nacherwerbers. Diesen empfiehlt Herr Prof. Becker lieber auf neue Software zurückzugreifen.

Jenseits von Computerprogrammen ist auch die „Digitale Erschöpfung“ anderer Inhalte in der aktuellen Diskussion. Der EuGH, Urteil vom 23.01.2014 – C-355/12 – „Nintendo Co. Ltd ua/PC Box Srl ua“ hat erwähnt, dass der Schutz für Computerprogramme grundsätzlich nicht auf andere Werke anwendbar ist. Dem entsprechend entschieden auch bisher die Instanzgerichte. Der EuGH, Urteil vom 10.11.2016 – C-174/15 – „Vereniging Openbare Bibliotheken/Stichting Leenrecht“, hat in Bezug auf einen E-Book-Verleih entschieden, dass dieser unter die Vermiet- und Verleih-Richtlinie fällt. In Deutschland gibt es Stimmen, so Herr Prof. Becker, dass ein Vermieten und Verleihen im deutschen Recht unter die Verbreitung fällt, sodass das für Computerprogramme Gesagte auch auf sonstige Werke anwendbar sein muss. Herr Prof. Becker widerspricht diesem insofern, als dass das Vermieten im Gegensatz zur Veräußerung kein dauerhaftes Nutzungsrecht einräume, vor allem, weil das verliehene E-Book nach einer gewissen Leihfrist nicht mehr genutzt werden kann.

Möglicherweise wird diese Frage bald geklärt werden. Beim EuGH ist ein Vorabentscheidungsverfahren (C263/18), das einen Händler von gebrauchten E-Books betrifft. Der Generalanwalt hat dazu geäußert, dass die Überlassung von E-Books zur dauerhaften Nutzung durch Herunterladen aus dem Internet dem Recht der öffentlichen Wiedergabe und nicht dem Verbreitungsrecht unterliegt. Zudem schließt eine Zuordnung der Handlungen zum Recht der öffentlichen Wiedergabe die Zuordnung zum Verbreitungsrecht aus - und umgekehrt. Folglich kann entweder eine Verbreitung oder eine öffentliche Zugänglichmachung vorliegen, aber nicht beides gleichzeitig. Dies folgt nach Ansicht des Generalanwalts daraus, dass bei Onlinediensten nach Erwägungsgrund 29 InfoSoc-RL die Erschöpfung nicht gelten und eine Verbreitung nicht vorliegen soll. Dies meint nach einer stark vertretenen Meinung auch das Anbieten von Dateien zum Download. Ein weiterer Grund sei das Spezialitätsverhältnis der Computerprogramm-RL, nach welcher Kopien geschützt sind, zur InfoSoc-RL, nach welcher Vervielfältigungsstücke, also körperliche Gegenstände, geschützt sind. Zudem sei ein Computerprogramm ein Werkzeug, was eine zu anderen Werken unterschiedliche Behandlung rechtfertige. Zudem sei ein Computerprogramm für eine langfristige Nutzung vorgesehen und werde dementsprechend weniger auf dem Second-Hand-Markt vertrieben. Zudem altern Computerprogramme im Zuge der technischen Entwicklung. Des Weiteren hat die InfoSoc-RL kein gesetzliches Benutzungsrecht für rechtmäßiger Nacherwerber vorgesehen. Gegenargumente fand Herr Prof. Becker lediglich auf Seiten des Verbraucherschutzes, also bei der Senkung der Preise, dem Schutz des Privatlebens durch Ausschaltung von Benutzeraccounts und der Unabhängigkeit von kompatiblen E-Book-Readern. Zudem fördert die Zugänglichkeit zu digitalen Werken zu moderaten Preisen die Innovation. Es wird auch von einer „wirtschaftlichen Vergleichbarkeit“ gesprochen.

Herr Prof. Becker ist selbst der Auffassung, dass eine „Digitale Erschöpfung“ bei anderen Werken als Computerprogrammen nicht gegeben ist. Eine Ausnahme sollen für ihn lediglich integrale Bestandteile von Computersoftware bilden, wenn diese im Verhältnis zu ablauffähigen Programmteilen von unwesentlicher Bedeutung sind. Die Wesentlichkeit ist dabei anhand einer umfassenden Interessen- und Güterabwägung vorzunehmen, wobei insbesondere auch auf die Funktion und den Grad der Eigentümlichkeit abzustellen ist.

Im Anschluss an den Vortrag fand eine rege Diskussion zu möglichen Vorgehensweisen von Gebrauchtsoftwarekäufern und Softwareherstellern statt.

Die Werkstattgespräche werden am 22.01.2020 fortgesetzt.

 

Wiss. Mit. Jakov Gerber

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19.11.2019, 18:00 Uhr - 21:00 Uhr
Ort: Haus der Universität, Schadowplatz 14, 40212 Düsseldorf
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